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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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jede noch so absurde Lüge zunächst als Wahrheit.«
    Â»Wer erhebt denn solche Vorwürfe? Doch nicht das Volk?« Eugenius’ Lächeln verstärkte sich. »Wann hat sich je ein Volk über lasche Sitten empört? Nein, Gräfin, die Beschuldigung wird von einer Adelspartei erhoben, die es versteht und sich leisten kann, einen Aufstand zu organisieren. Der Heilige Vater sucht um Schutz und Beistand bei Eurem König nach.««
    Â»Das liegt nahe, da Karl der Schutzherr Roms ist.«
    Â»Ihr sagt es, Gräfin. Allerdings - ich könnte mir denken, dass Euer König die Vorwürfe genauer prüfen möchte. Ich bin auf dem Weg festzustellen, ob meine Vermutung zutrifft, um anschließend den Heiligen Vater von den Absichten des Königs in Kenntnis zu setzen.««
    Solche Augenblicke mit Eugenius taten mir gut. Mit keinem anderen konnte ich es wagen, über Angelegenheiten des Staates zu sprechen, die allein dem König und seinen Beratern wie Arnulf und Gerold vorbehalten waren. Auch Arnulf mochte solche Gespräche mit mir nicht führen, und bei Berta und Gerlindis hatte ich noch nicht einmal den Versuch unternommen.
    Â»Seid Ihr beunruhigt, Exzellenz?«
    Â»Wie ich schon sagte: Die Vorwürfe werden sich als haltlos erweisen. Sie sind zu ungeheuerlich.«

    Â»Und wegen des Mordes an Hugo? Seht Ihr einen Zusammenhang mit dem bevorstehenden Aufenthalt des Papstes in Aachen?«
    Â»Nicht den geringsten. Keiner hätte etwas davon, wegen des Papstes einen Offizier der Leibwache aus dem Weg zu räumen. Offiziere werden schnell ersetzt. Bis Leo III. in Aachen eingetroffen ist, wird der Schuldige überführt sein, und welche Beweggründe ihn auch immer zu der Tat getrieben haben, ich bin absolut sicher, sie haben überhaupt nichts mit dem Papst zu tun.««
    Eugenius betrachtete mich eingehend. »Da wir gerade davon sprechen... Steht Ihr wegen dieses Verbrechens hier so verschmitzt herum? Ich hörte, die Tat sei ungefähr an dieser Stelle begangen worden.«
    Es bestätigte sich wieder einmal, dass Eugenius mich von allen Menschen am besten kannte. Natürlich war ich mit Arnulf viel vertrauter, mit Gerlindis verbanden mich die Bande des Blutes, und mit Berta hatte ich in all den Jahren mehr Stunden verbracht als mit Arnulf und Gerlindis zusammengenommen, und doch kannte jeder von ihnen nur einen Teil meines Wesens. Manchmal glaubte ich, den kleinsten Teil. Beispielsweise traute keiner von ihnen mir etwas zu. Arnulf war zärtlich und wollte, dass es mir gut geht, aber er wäre nie auf den Gedanken gekommen, mir eine auch nur halbwegs bedeutende Aufgabe zu übertragen. Gerlindis sah in mir nur ein mütterliches Wesen zum Gernhaben, eine ältliche Frau, die nähte, spazieren ging, die Messe besuchte, wieder nähte... Und was Berta anging, so war sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich vom Wesen anderer Menschen ein Bild zu machen. Eugenius hingegen kannte mich von einer Seite, die niemand sonst zu bemerken schien. Gut, er hatte den Vorteil, mich
beim Lernen beobachtet zu haben, er hatte gesehen, wie ich mich auf die Buchstaben, dann auf die Schrift stürzte. Ich hatte eine völlig neue Welt für mich entdeckt, und Eugenius war dabei gewesen und hatte es bemerkt. Ja, er hatte diesen Vorteil gegenüber den anderen, doch nur deshalb, weil er es gewesen war, der schon vorher gespürt hatte, dass eine Entdeckerin in mir schlummerte. Nicht Berta oder einer anderen Hofdame hatte er das Lesen und Schreiben beigebracht, und auch nicht einer der Prinzessinnen, von denen es nun wahrlich genügend am Hof gab, sondern mir - und Hugo.
    Tatsächlich, Eugenius war für kurze Zeit Hugos Lehrer gewesen, das war mir beinahe entfallen.
    Â»Ihr habt recht, Exzellenz. Ich suche tatsächlich nach einer Spur, nach irgendetwas, ich weiß auch nicht so genau, wonach. Hugos Tod betrifft mich unmittelbar. Zwar kannte ich ihn nicht besonders gut, aber... Da fällt mir ein, dass Ihr ihn gut kanntet.««
    Â»Das ist wahr. Er bat mich vor ungefähr einem Jahr, ihm Lesen und Schreiben beizubringen.«
    Â»Wieso bat er ausgerechnet Euch? Ihr seid ein Gesandter, ein Römer. Es leben fränkische Gelehrte am Hof.««
    Â»Wenn er zu denen gegangen wäre, wäre dies bekannt geworden. Ihr müsst Euch vor Augen halten, Gräfin, dass es bei Kriegern als niedere Fertigkeit gilt, schreiben zu können. Er wäre

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