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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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seinen Kindern ein geneigter Vater, seinen Ehefrauen ein geneigter Gatte, seinem Volk ein bemühter Herrscher. Den meisten Menschen seines Reiches hatte er Frieden gebracht, und wenn an den Grenzen der Krieg ausbrach, versuchte er, die Not der Untertanen zu lindern. Grollte ich ihm bisweilen, war es, weil das Maß an Pflichterfüllung, das er von Arnulf und anderen verlangte, die Grenzen des menschlich Machbaren bisweilen überstieg, doch ich sah stets rasch ein, dass er sich selbst dasselbe abverlangte. In dieser Stunde in Mathildas Gemach jedoch brachte er mich gegen sich auf durch seine Selbstsucht, Frauen an sich zu binden, die er weder begehrte noch benötigte. Was konnten Mathilda und Gersvind schon dagegen tun? Sie waren Dienerinnen ihrer Familien, Werkzeuge, und ihnen war befohlen worden, Karls Konkubinen zu werden. Was empfanden sie in ihrer Ohnmacht? Welche Gefühle hegte Gersvind jenem Mann gegenüber, der ihr Volk unterworfen und ihre Brüder in Schlachten getötet hatte? Zuneigung lässt sich nicht erzwingen. Und was waren Mathildas vier Wände anderes als eine geschmückte Klosterzelle? Lebte sie nicht schon längst wie eine Nonne? Ringe und Teppiche füllen das Leben nicht aus. Keine von ihnen - nicht Gersvind und nicht Mathilda - hatte das Glück, in der Nacht einen Mann auf sich liegen zu haben, dessen Haut sie mit Küssen bedecken, dessen Gesicht sie über ihrem Gesicht sehen wollten. Ich war eins mit ihnen darin, zu ihnen zu gehören, zur Gemeinschaft der Frauen, und uneins mit ihnen darin,
ihr Schicksal zu teilen. Meines war ein anderes. Ich hatte Arnulf.
    Gerade als ich mich verabschieden wollte, öffnete Mathilda eine große Schatulle, um sich eine Halskette auszuwählen. Sie griff nach einer prunkvollen byzantinischen Arbeit, die ihresgleichen suchte. Ich jedoch hatte nur Augen für eine aus bescheidenen Steinen bestehende Kette, die Mathilda neben vielen anderen in der Schatulle beließ.
    Es war eine Kette genau von der Art, wie ich sie von Fionee bekommen hatte.

16
    ICH HABE MEINE Niederschrift für eine Weile unterbrochen. Gerlindis kam vorbei. Sie hatte kalte Wangen und erzählte begeistert von der Prozession, an der sie teilgenommen hatte. Ich ermunterte sie, zu der Heiligabendfeier zu gehen, die der König ausrichtet. Sie sagte, es ginge nicht an, dass ich am Heiligen Abend allein bliebe, aber im Stillen hoffte sie, ich würde darauf bestehen, dass sie zu der Feier ging, was ich auch tat.
    Â 
    Ich trinke Falerner. Ich kann ja nichts anderes tun als trinken und schreiben, sodass dies für mich inzwischen zusammengehört. Was sonst in einem Jahr an Wein in mich hineinläuft, wird heute in einer Nacht in mich hineinlaufen, und zwar im gleichen Maße, wie mir die Wahrheit in die Feder fließt. Somit betäube ich die Geister, die ich aufrufe. Dass im Wein die Wahrheit liegt, hängt meiner festen Überzeugung nach nicht damit zusammen, dass der Wein das Aussprechen der Wahrheit erleichtert - wie die Römer irrigerweise glaubten -, sondern dass man die Wahrheit nur im Rausch erträgt. Ich kann mir nur einen Zustand vorstellen, der schlimmer wäre, als unschuldig unter Verdacht zu stehen, und zwar den meinen: schuldig unter Verdacht zu stehen.
    Â 
    Ich sehe, dass sich der Stapel unbeschriebenen Pergaments zugunsten des Stapels beschriebenen Pergaments verringert.
Nur gut, dass Arnulf als Pfalzgraf über einen großen Vorrat davon verfügt. Was ich hier tue, kostet ein kleines Vermögen - Hunderte von Pergamente zu beschreiben ist ein Reichtum, den sich noch nicht einmal die Königin gönnt. Aber als würde ich mir in einer solchen Nacht über so etwas den Kopf zerbrechen!
    Â 
    Ich meine, die Stimme Leos III. zu vernehmen, der die Pfalz segnet. Sie hat es allemal nötig, ist sie doch mit drei Morden innerhalb von zwei Wochen gestraft.

17
    ICH WAR ERFOLGREICH gewesen in dem Bemühen, Einblicke in Hugos Leben zu gewinnen, und das machte mich beschwingt und kühn. Wie viel von dem, was man mir erzählt hatte, der Wahrheit entsprach, spielte angesichts der Tatsache, dass ich überhaupt etwas erfahren hatte, zunächst eine geringe Rolle. Ich konnte nicht einfach, so wie Arnulf, jemanden befragen, konnte nicht zum König gehen und danach fragen, ob er Hugo zufällig im Frauenhaus entdeckt habe oder ob der Entdeckung eine Denunziation vorangegangen war. Alles, was ich erfuhr, war

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