Die Giftmeisterin
wenn dieses Wort nicht sogar zu schwach ist -, steht auÃer Frage, aber ich bin mir sicher, dass Hugo keinen Gefallen an Teodrada fand, zumindest nicht auf diese Weise. Im Ãbrigen blieb er nie lange bei ihr, nicht annähernd so lange wie bei mir, das steht fest. Und das hat sie mir natürlich geneidet.«
Als ich nicht sofort darauf einging, wandte Mathilda sich zu mir um. »Woran denkt Ihr?«
Ich zögerte eine Weile mit meiner Antwort. »Daran, dass Hugo weder Euren noch Teodradas Namen verriet. Er hätte mit einer ehrlichen Antwort alles richtigstellen können.««
»Und was, wenn man ihm nicht geglaubt hätte? Er war viel zu edelmütig, um irgendeinen Menschen zu verraten. Sowohl Teodrada als auch mir hätte die Verbannung ins Kloster gedroht, denn wer hätte uns schon geglaubt, dass
wir mit einem Mann zu nachtschlafender Zeit nur gezeichnet und geredet haben?«
Mit meiner nächsten Behauptung löste ich bei Mathilda Bestürzung aus. »Natürlich kam Hugo trotz seiner Verwarnung durch den König weiterhin zu Euch.«
»Das ist... Wie kommt Ihr darauf? Hat Teodrada etwa...? Sie sollte doch nichts davon erfahren. Ich lieà sie im Glauben, weitere Besuche seien zu gefährlich geworden. Hugo und ich waren doppelt vorsichtig. Und trotzdem kam sie uns also auf die Schliche!«
»Nicht dass ich wüsste«, antwortete ich.
»Dann verstehe ich es nicht. Von wem habt Ihr erfahren, dass er mich weiterhin besuchte?«
»Von Euch selbst.«
»Das ist unmöglich.«
»Ihr sagtet, dass Ihr den Lese- und Schreibunterricht für Hugo fortgesetzt habt, nachdem Eugenius ihn eingestellt hatte. Aber Eugenius stellte seinen Unterricht erst ein, nachdem man Hugo verwarnt hatte.««
Mathilda atmete tief ein, und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass sie mich ernst nahm.
Sie wandte sich einer Dose voller Ringe zu und steckte sich an jeden zweiten Finger einen.
»Ja, er setzte seine Besuche bei mir fort. Er kam seltener, vielleicht zwei Mal im Monat, aber diese Treffen taten uns gut.«
»So gut nun auch wieder nicht, bedenkt man, dass er in dieser Zeit begann, sich oft zu betrinken.««
Mathilda wich meinem Blick aus, rückte ihre Ringe zurecht und zögerte mit der Antwort auf meine Bemerkung. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass sie in dieser einen Frage nicht die Wahrheit sagen würde. »Hugo war im Spätsommer
und Herbst gedrückter Stimmung, weil er meinte, um seine Laufbahn sei es nach der Verwarnung durch den König ohnehin geschehen. Und was mich angeht, so war ich ähnlicher Stimmung wie Hugo.«
»Obwohl Ihr den Umstand von Hugos Entdeckung durch den König unbeschadet überstanden hattet?«
Mathilda senkte den Kopf, und ich spürte, dass die stolze und kluge Patrizierin aus Rom dabei war, Schwäche zu zeigen.
»Die Bekanntschaft mit Hugo«, sagte sie leise, »hat mir verdeutlicht, wie viel ich in dem Leben, das ich führe, entbehre: das Gespräch mit verwandten Seelen, den Dialog und - ja, auch die Liebe. Nicht dass ich Hugo geliebt hätte, aber ich hätte ihn lieben können , versteht Ihr? Er war ein aufrechter, junger, gut aussehender und vielseitig begabter Mann, und ich habe mir mehr als einmal vorgestellt, wir würden...« Sie unterbrach sich. Sie sah plötzlich sehr müde aus. »Wie auch immer. Ob man seinen Mörder nun findet oder nicht, das bringt uns Hugo nicht zurück. Ich kann mich daher für Eure seltsame Spurensuche nicht begeistern, Gräfin, aber weil ich Euch ein wenig mag, habe ich Euch empfangen. Verfügt nach Belieben über das, was ich erzählt habe. Es wäre mir mittlerweile gleichgültig, wenn der König erführe, dass Hugo bei mir gewesen war.«
Mathilda schaffte es, mich mit der Resignation dieses letzten Satzes betroffen zu machen. Obwohl ich ihre Gesten und GroÃtuereien nicht ausstehen konnte, war sie mir im Allgemeinen erstaunlicherweise nicht unsympathisch. Mit ein paar Worten war es Mathilda gelungen, meine Meinung über sie zu ihren Gunsten zu korrigieren, denn diese Worte klangen nicht einstudiert, und die Verlassenheit, die
in ihnen lag, schien mir in Jahren und Jahren entstanden zu sein, so wie alle wirklich tiefen Gefühle langsam entstehen.
Es kam nicht oft vor, dass ich schlecht über den König dachte. Er war zu meinem Gemahl und zu mir und meinen Freunden immer gut gewesen, er war
Weitere Kostenlose Bücher