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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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genau zwölf Monaten zum König zurückkehren, wird es mindestens weitere sechs, wenn nicht mehr Jahre dauern, bis wir erneut auf unseren Besitz zurückkehren dürfen. Daher ist jeder Tag ein Geschenk.
    Und dieser Tag ganz besonders. Wir spüren es beide, Arnulf und ich. Wir essen den Hasen, den er auf eigenem Grund und Boden erlegt hat; wir trinken den Wein unserer eigenen Reben; und nach dem Essen tanzen wir zu einer Musik, die nur wir hören. Ich lache ohne Grund, ohne dass Arnulf ein Wort sagt. Und er kann seine Augen nicht von mir abwenden. Es wird passieren, steht auf unseren Gesichtern. Heute Nacht.
    Im Schlafgemach zieht er sich rasch aus und lässt sich von mir betrachten. Es ist, als halte er mir seinen Körper
vor Augen: seine behaarte Brust, sein Geschlecht, das Weiß seiner Haut; dann das Rosa der Handflächen, die sich mir nähern, und dann seine Lippen - all das stellte er zur Schau.
    Er zieht mich aus, ganz langsam, ungewohnt langsam. Während er mich auszieht, schiebe ich meine Hände unter seinen Achselhöhlen hindurch, dann gleiten sie über diese narbige Haut. Mein Kopf sinkt zurück, und ich ziehe Arnulf mit mir auf das Bett.
    Neben mir sind die Arme des Mannes, den ich liebe, aufgestützt. Er dringt in mich ein. Und wieder geschieht es mit fast unmöglicher Langsamkeit, die mich wahnsinnig macht vor Glück, die ich nicht mehr hergeben will und die ewig dauern soll. Unsere Münder, unsere Zungen berühren sich, bleiben zusammen. Die Augen, seine wie meine, schließen sich, und alles Tun wird in Dunkelheit getaucht: diese Bewegungen, die Schönheit der Muskeln, die Schönheit dieser Erregung, die manchmal kaum von Schmerz zu unterscheiden ist und so wohl tut, die sich hinauszögert, sich hinauszögert, hinauszögert, für mich und für ihn hinauszögert und mich schreien machen will, die ihn schreien lässt, die ihn weinen lässt, die mich mit ihm weinen lässt... Arnulfs Stößen liegt nicht die sonstige Verzweiflung zugrunde, die in jener Nacht bezwungen ist. Arnulf wird wieder mehr als mein Gemahl, er wird mein Liebhaber.
    Es ist passiert, das steht auf unseren Gesichtern. Es ist gelungen. Wir werden einen gesunden Sohn bekommen. Wenn es nicht in dieser Nacht glückte, ihn zu zeugen, wann sonst sollte es je glücken? Nein, kein Zweifel. Es ist geglückt.

    Â 
    Am nächsten Tag regnet es, am übernächsten auch, es regnet eine ganze Woche, dann einen ganzen Monat lang. Die Bäche quellen über und zerstören eine nahe gelegene Mühle, bald darauf tritt die Mosel über die Ufer. So schlimm war es noch nie, sagen unsere Verwalter. Das bestellte Land wird überschwemmt, Ende April ist der Gutshof von drei Seiten vom Wasser eingeschlossen, Ende April weiß ich, dass ich schwanger bin. Und der Regen fällt und fällt.
    Die Ernte des letzten Jahres ist mager ausgefallen, doch die Vorräte reichten, um zehn Menschen gut über den Winter zu bringen, und wir haben genug Geld, um jederzeit die Vorräte aufzufüllen. Aber ab Mai sind die Märkte plötzlich leer, es gibt fast nichts mehr zu kaufen, und das Wenige ist verschimmelt. Unsere leibeigenen Pächter leiden bereits Hunger. Wir rationieren unsere Vorräte, schlachten unsere Schweine und geben denen, die es am nötigsten brauchen, etwas davon ab. Zwei Tage später wird der Gutshof von zahlreichen Pächtern und sogar von Leuten aus Toul belagert, und Arnulf und die Verwalterfamilie haben alle Mühe, die Hungrigen zu vertreiben. Und der Regen fällt und fällt.
    Im Juni sind wir gezwungen, den Gutshof aufzugeben. Das Wasser ist ein Feind, dem wir hilflos gegenüberstehen, zumal es von überall kommt. Wir haben drei Wagen, um all unsere Kleidung und vor allem unsere Hühner und Vorräte zu verladen, und außerdem drei Wagen, in denen wir nachts schlafen. Arnulf, der Verwalter und seine Söhne lenken die Wagen. Unser Ziel ist König Karl, der sich in Salzburg aufhält, um einen Feldzug gegen die Awaren vorzubereiten. Auf alten Römerstraßen
und neuen gepflasterten Wegen wollen wir über Metz, Straßburg, Ulm und Augsburg zu ihm gelangen. Wir ahnen, dass es nicht leicht werden wird, aber wir ahnen nicht, dass wir uns auf den Weg mitten durch die Hölle machen.
    Der Hunger ist überall gegenwärtig. Wo wir auch fahren, begegnen uns zahllose hohlgesichtige, lahme oder vom Elend aufgedunsene

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