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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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gesprochen. Er hat ihr vertraut. Und da sie nur Verachtung für mich übrig hat... Da kommt die Königin. Besser, wir beenden dieses Gespräch.«
    Ich wechselte einige Sätze mit Königin Liutgarde, bevor ich über das nachdachte, was Teodrada berichtet - oder behauptet - hatte. Ich musste mir bei all dem vor Augen halten, dass das Kind, mit dem ich soeben gesprochen hatte, schon vor geraumer Zeit vom Wahnsinn flüchtig geküsst worden war. Aber ich kam auch nicht umhin, festzustellen, dass die von ihr erzählte Geschichte stimmen könnte - anders als ihre frühere Geschichte von einem Zwerg, der angeblich gedungen worden war, Teodrada im Schlaf zu ermorden. König Karl verhinderte tatsächlich, dass seine Töchter heirateten oder Nonnen wurden, obwohl einige von ihnen bereits das übliche Heiratsalter weit überschritten hatten und durchaus Interesse an der Ehe und ihren
körperlichen Freuden zeigten. Und warum sollte Hugo nicht Teodrada heiraten wollen? Zwar war sie weder in körperlicher noch charakterlicher Hinsicht von einnehmender Anmut, doch vielleicht hatte er an ihr eine unbekannte Seite hervorgeholt, oder ihre sperrige Art zog ihn an. Mathildas und Teodradas Aussagen stimmten größtenteils, aber nicht völlig überein, doch wenn ich objektiv war, konnte ich nicht sagen, wer von beiden die Wahrheit sagte und wer etwas - aus welchen Gründen auch immer - dazuerfand.
    Ich stieß bei meinen Nachforschungen an einen heiklen Punkt, eine Barriere gewissermaßen. Man konnte mir viel erzählen, und ich besaß kaum die Möglichkeit, Lügen zu enttarnen. Mehr und mehr merkte ich, dass ich mit Plaudereien allein nicht weiterkäme. Vielleicht hatte ich mich überschätzt, vielleicht sollte ich Arnulf enthüllen, was ich in Erfahrung gebracht hatte, und alles Übrige ihm überlassen. Aber dann würde ich ihm auch von Hugos angeblich schlechter Meinung über Grifo berichten müssen, und das untermauerte seine These des brüderlichen Zwists mit tödlichem Ausgang. Ich war mit Arnulfs Neigung vertraut, Tatsachen, die ihm nicht passten beiseitezuschieben, und jene Tatsachen, die seiner eigenen Denkweise entgegenkamen, ins grelle Licht zu rücken. Doch noch war ich nicht ganz am Ende mit meinen Möglichkeiten. Was hatte es zum Beispiel mit der Pfeilspitze auf sich, die ich an der Stelle, wo Hugo getötet worden war, gefunden hatte? Diese Antwort wollte ich zumindest noch bekommen, bevor ich meine Bemühungen einstellte. Ich trug die Pfeilspitze wohlweislich bei mir.

22
    DER KÖNIG KAM in Begleitung von Gerold, Grifo und einigen weiteren Mitgliedern des Hofes von der Jagd in den Wäldern auf das Feld zurück. Sie alle waren erhitzt, berauscht vom Erfolg. Unter lautem Gelächter und Gegröle verfolgten sie, wie drei erlegte Wildschweine, zwei Hirsche, zwei Rehe, vier Hasen, ein paar Wachteln und ein Auerhahn von den Treibern herbeigeschleppt und in einer langen Reihe ausgestellt wurden. Bedienstete reichten Schläuche mit Bier und Wein zu ihnen, die noch immer auf Pferderücken saßen, hinauf. Die Gäule tänzelten auf Befehl ihrer Herren um die Jagdopfer herum. Gerold war der Zurückhaltendste von allen, der König war der Lauteste; er stimmte ein Lied an, seine Augen glühten. Noch nie war mir die Diskrepanz zwischen ihm als Herrscher und ihm als Mensch so aufgefallen wie an jenem Tag der Jagd. (Er spricht gelegentlich von einem abendländischen Kaisertum, das sind dann Augenblicke wie aus der Antike, und man meint Horaz oder Vergil sprechen zu hören. Wenn er äußert, dass der westliche und der östliche Teil seines Reiches wie ungleiche Geschwister sind, die dennoch auf ewig verbunden seien, auch wenn sie bisweilen verschiedene Wege gehen, so scheint mir das die Zukunft vorwegzunehmen und spricht mir aus der Seele, die ich im westlichen Reichsteil geboren und aufgewachsen bin und den östlichen Reichsteil nach Jahren der Streifzüge schätzen gelernt
habe. Und doch - wenn ich sehe, wie Karl den Tod begießt, auf welche Weise dieser auf ihn wirkt, wird mir verständlicher, wieso er Sachsen und Awaren in einem wahren Taumel der Vernichtung unterjocht hat.)
    Der Zeitpunkt zu handeln schien mir günstig. Die Männer waren von Tierleichen fasziniert, die Damen von den Männern. Ich ließ die Pfeilspitze in die Reste des Schnees zu Boden fallen.
    Â»Seht dort, wie seltsam«, rief

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