Die Giftmeisterin
Verhältnisse geradezu beeindruckend.
»Ich muss schon sagen, Berta - meine Hochachtung.«
»Seit Grifo unter dem Verdacht steht, seinen Bruder getötet zu haben, fühle ich mich sehr unwohl in seiner Nähe.
Daher achte ich auf alles, was er sagt oder tut. Und ab heute werde ich auch auf dich achten, meine Liebe.«
»Wie bitte? Wieso?«
»Ich verfolge mit groÃem Interesse, wie du dich von deinem Gemahl einspannen lässt, um den Mord an Hugo aufzuklären. Denn das tust du doch, gib es zu.«
Zumindest stimmte der Ansatz des Gedankens. »Nun ja...«
»Du hast die Pfeilspitze nicht auf dem Feld entdeckt. Das war nur eine List. Arnulf fand sie bei Hugos Leiche, und jetzt setzt er dich darauf an, dass Grifo sich in Widersprüche verwickelt und...«
Von da an geriet Berta auf Abwege, die mal hierhin und mal dorthin ausschlugen wie die Schlingpflanzen, von denen ich vorhin sprach.
Meine gute Berta - da kam sie wieder zum Vorschein. Doch immerhin hatte sie einen richtigen Grundgedanken gehabt, und mehr noch, sie hatte mir eine wichtige Information geliefert: Grifo sollte tatsächlich in der Lage sein, eine Pfeilspitze als awarisch oder nichtawarisch zu erkennen. Dass er sich nicht eindeutig geäuÃert hatte, konnte allerlei bedeuten. Trotzdem, bemerkenswert war es auf alle Fälle.
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Im Stall angekommen, stiegen wir ab, und Berta bot an, mich zu meinem Haus zu begleiten, was ich ablehnte, weil ich erst noch mit Kalliope, meiner Stute, sprechen wollte.
»Du bist klatschnass, Ermengard. Du musst dich sofort umziehen.«
»Ich bin nur ein bisschen nass.«
»Du holst dir noch den Tod.«
»Der kommt sowieso, wann er will.«
»Unverbesserlich. Das Pferd versteht ohnehin kein Wort von dem, was du sagst.«
»Die Worte nicht, das ist wahr, aber es versteht die Gefühle hinter den Worten.«
»Sieh an, bei den Männern ist es umgekehrt«, scherzte sie. »Ich sage deiner Zofe, sie soll rasch aufheizen.«
»Danke, Berta.«
Ich spürte Kalliopes Unruhe. Auch auf dem Weg zurück in die Pfalz war sie nicht ganz die Alte gewesen.
Lange brauchte ich nicht, um die Ursache zu finden. Auf der linken Flanke befand sich eine wunde Stelle, nicht gröÃer als ein Kieselstein, rot von Blut, und inmitten der Wunde steckte ein winziges spitzes Eisenteil - vermutlich aus einem Blasrohr aus kurzer Entfernung geschossen.
Mein Verdacht bestätigte sich: Man hatte einen Anschlag auf mich verübt, der mich beinahe das Leben gekostet hätte.
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Wer?
Die Frage brannte in meiner Kehle, Galle stieg mir auf und mit ihr eine ganze Suppe schlechter Gefühle. Fast jeder aus der Jagdgesellschaft hätte die Gelegenheit gehabt, ein Blasrohr zu zücken und die Tat innerhalb eines Atemzuges zu begehen, denn es herrschte zu der Zeit Tumult, die Leute achteten nur auf die Jäger und deren Beute, es wurde geschrien und getrunken... Aber nur zwei Personen hatten einen Grund, meinen Tod zu wünschen.
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Hugos Mörder oder Mörderin.
Machten meine Nachforschungen den Mörder unruhig? Wer wusste überhaupt davon? Wer konnte es ahnen? Mathilda und Teodrada. Fionee, die allerdings nicht zählte, weil sie nicht anwesend gewesen war. Wenn jedoch eine
der drei es weitererzählt hätte... Es wäre auch möglich, dass die Tat spontan erfolgt war, kurz nachdem ich die Pfeilspitze »gefunden« hatte. Hatte die Tatsache, dass ich sie vorgezeigt hatte, sie provoziert?
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Emma.
Arnulfs Favoritin. Und meine Favoritin für den Anschlag. Emma wollte hoch hinaus. Sie forderte Arnulfs Trennung von mir. Es genügte ihr nicht mehr, eine Konkubine, also eine Gattin der nächtlichen Lust zu sein, sie war bestrebt, eine Gattin von Titel und Vermögen zu werden. Falls Arnulf ihr Ansinnen abgelehnt hatte... Mein Herz schlug höher. Mein Tod war Emmas einzige Möglichkeit, meinen Platz einzunehmen.
Eine unheimliche Freude, die nichts Fröhliches an sich hatte, kam in mir auf. Ja, ich wünschte mir, oh, ich liebte diesen Gedanken, dass Emma den Anschlag verübt hatte, bedeutete dies doch nicht nur, dass Arnulf sich für mich entschieden hatte und er auf immer mein Gatte bleiben würde, sondern auch, dass ich mit gleicher Münze auf Emmas Tat antworten durfte, wenn mir danach war.
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Da erschien am Eingang des dunklen Stalls vor dem Hintergrund strahlenden Winterlichts eine Gestalt wie etwas, das sich aus
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