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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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ich und wies einen der Bediensteten an, mir den Gegenstand zu reichen. Ich drehte ihn in der Hand. »Dieser Pfeil scheint mir nicht von unserem Gefolge benutzt zu werden.«
    Ich hatte laut genug gesprochen, um Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Gerold lenkte sein Pferd als Erstes an meine Seite. Er sah mich eingehend an, vielleicht fragte er sich, wieso ich mich für eine im Feld liegende Pfeilspitze interessierte. Auf seinen vom Bart umrankten Lippen lag eine Zufriedenheit, die mir unerklärlich war. Eine Antwort auf meine Frage nach der Herkunft der Waffe wusste er nicht.
    Nachdem noch einige Männer, darunter auch Grifo, das seltsam geformte »Fundstück« betrachtet hatten, wurde auch der König aufmerksam.
    Â»Es scheint sich um einen Pfeil der Awaren zu handeln, man sieht es an der Form«, sagte er. »Grifo, Ihr müsstet es eigentlich wissen, besser als ich und jeder andere hier.« Dann lachte er, was ich nicht verstand, weil es eigentlich nicht lustig war. Grifo war in den Awarenkriegen gewesen, doch das traf auf viele der anwesenden Männer zu.
    Grifo räumte ein, es könne sich um eine Pfeilspitze der Awaren handeln, doch sei er sich nicht sicher.
    Â»Wie auch immer, Gräfin«, sagte der König. »Da Ihr die Spitze gefunden habt, gehört sie Euch.«

    Das Thema fesselte nicht länger, und man wandte sich rasch wieder dem Trinken zu.
    Â 
    Nach einer Weile kehrten auch Arnulf und der Rest des Gefolges aus dem Wald zurück. Sie brachten weitere Wildschweine, Hirsche und dergleichen an, dann wurde durchgezählt, und ich verstand, dass die Männer vorhin offensichtlich zwei rivalisierende Jagdgruppen gebildet hatten, die vom König einerseits und von Arnulf andererseits angeführt wurden. Das durfte Arnulf getrost als große Ehre verbuchen, die ich, obwohl wir nicht sprachen und uns nur aus der Distanz zulächelten, sehr wohl an ihm wahrnahm. Da Arnulf deutlich hinter den Jagderfolgen des Königs lag, ritt er schnell wieder los, während der König feierte, was das Zeug hielt.
    Â 
    Mein Pferd scheute. Es bäumte sich auf, wieherte, was mich völlig überraschte, da es das in dieser Form noch nie getan hatte. Ich hatte mich nicht richtig festgehalten und stürzte zu Boden. Das hätte mein Tod sein können. Mein Kopf schlug etwa eine Handbreit neben einem Gesteinsbrocken auf - in einer Pfütze aus weichem Schlamm. Natürlich war ich benommen. Aber für das, was ich unmittelbar nach dem Sturz sah, ist Benommenheit eine unzureichende Erklärung.
    Halb aufgerichtet blickte ich zu denen, die mich von ihren Pferden herab ansahen, und mich durchfuhr ein gewaltiger Schreck. Gersvind: eine versteinerte Maske, kalt. Emma: hasserfült. Gerlindis: gleichgültig. Teodrada: schadenfroh. Die Königin wandte sich ab. Der König hatte ein Zucken in den Mundwinkeln. Grifo: die Augen zusammengekniffen. Ich sah alles Schlechte dieser Welt, ich sah Übelwollen und Gehässigkeit mich umzingeln. Es drückte mir die Kehle zusammen, und ich sank zurück in den Schlamm.
Das Nächste, was ich spürte, war eine Hand, die mich auf die Beine zog.
    Gerold fragte: »Seid Ihr unverletzt, Gräfin?«
    Â»Oh - ja, ich - ich denke schon.« Dann stand plötzlich Berta neben mir, die in großer Besorgnis war: »Meine Liebe, wie fühlst du dich? Wie konnte das passieren, wo du doch eine sichere Reiterin bist?«
    Â»Ich weiß nicht«, murmelte ich.
    Â»Gewiss ein zu fest angezogener Zügel«, sagte die Königin, als wollte sie eine Diskussion erst gar nicht aufkommen lassen. Falls das ihre Absicht gewesen sein sollte, misslang sie ihr gründlich.
    Â»Ein schlechter Beschlag, ein spitzer Stein«, sagte Grifo, und von da an gingen die Meinungen durcheinander. »Ein verzärteltes Pferd«, meinte Gersvind. »Ein schlechter Sattel«, spekulierte Gerlindis, woraufhin Emma sich die Bemerkung nicht verkneifen konnte: »Für eine Sattlerstochter wäre das eine arge Schande.«
    Teodrada verhielt sich als Einzige still.
    Die Stimme des Königs übertönte schließlich die der Frauen: »Pferde sind sensible Tiere«, sagte er. »Sie spüren allerlei, was wir nicht spüren. Möglicherweise habt Ihr heute schlechte Gedanken, Gräfin, und das Tier hat Euch deswegen abgeworfen.«
    Er sagte das allen Ernstes.
    Ich erwiderte: »Wenn dem so wäre, Euer Gnaden, müssten alle Krieger

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