Die Giftmeisterin
in schwierigen Situationen mein Rückgrat zu straffen, und auch das darf man gerne doppeldeutig verstehen.
»Gut. Nun stellt sich mir die Frage, ob ich als unfruchtbar gelte.«
Sein Blick ruhte auf meinem Gesicht. Natürlich versuchte er herauszufinden, ob meine Neugier rein geistiger Natur war oder einen höchst gegenständlichen Anlass hatte. Wir hatten in der Vergangenheit so manch theoretischen Dialog geführt, beispielsweise über das Verhältnis von Papsttum und Königtum, die Missionen des Bonifatius, die moralischen Grenzen bei der Heidenbekehrung, und vor allem über die mögliche Zukunft des wunderbaren Reiches, in dem wir leben, und das Eugenius und ich gleichermaÃen als Kern von etwas viel GröÃerem sehen, als wir zu überblicken vermögen. Wir sprachen auch über sehr Persönliches: Eugenius über die Mühen des Zölibats, das seiner Meinung nach nicht im göttlichen Sinn sei, und über die Erziehung in einer römischen Adelsfamilie, wo jedes Kind schon früh lernt, dass die Familie alles ist und ihr Oberhaupt die Autorität eines Königs besitzt; ich über meine Schwierigkeiten, mich ins höhsche Leben einzupassen, ferner über meine anfänglichen Probleme, das offizielle Konkubinat als etwas Vernünftiges anzuerkennen, da ansonsten die heimliche Liebschaft zwangsläufig an seine Stelle treten würde, das sei so sicher wie das Amen in der Kirche - so
seine Worte. Der Tod meiner Kinder war ebenfalls schon Stoff eines Gespräches gewesen.
Vielleicht dachte Eugenius, als er mir im Stall gegenüberstand und mit meiner Frage nach Unfruchtbarkeit konfrontiert wurde, dass ich mich als Frau unvollständig fühlte und dass daher auch mein Widerstreben gegen das Konkubinat herrührte, gleichsam die Eifersucht der Besitzlosen. Vielleicht hatte er grundsätzlich recht, nicht jedoch an diesem Tag. Ob er das wahre Motiv erraten hatte? Ich lieà ihn darüber absichtlich im Unklaren.
Seine Antwort gefiel mir nicht, sie verletzte mich, was nicht Eugenius angelastet werden kann, da nicht er das kanonische Recht verfasst hatte. Keines meiner Kinder, auch nicht jenes, das einige Tage gelebt hatte, wurde von der Kirche als Beweis meiner Fruchtbarkeit betrachtet. Es hatte zu kurze Zeit gelebt, und es war ungetauft gestorben, da Arnulf und ich damals mit der Hebamme in einem vom Hochwasser betroffenen Gebiet festsaÃen und kein Priester zu uns gelangen konnte.
Ich war unfruchtbar, war nie fruchtbar gewesen, würde es niemals sein. Mein Alter verhinderte Korrekturen dieses Zustandes, verhinderte Hoffnung. Es war, wie es war. Das Siegel brannte sich ins Wachs. Es galt.
Wenigstens sah ich nun klar. Der Nebel der Angst lichtete sich in den Strahlen gleiÃender Wahrheit. Ich wusste, woran ich war, dass ich viel zu verlieren hatte, das ich nicht herzugeben bereit war, und damit meine ich nicht zuvorderst meine Ehe, sondern meine Würde als Frau und Ehefrau, die es sich nicht gefallen lassen wollte, allein der Kinderlosigkeit wegen von einer Rivalin verdrängt zu werden.
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Von irgendwo hinter den Pferden kam Berta hervor. Ich hatte sie den Stall nicht betreten hören und war unsicher, ob sie das Gespräch von Eugenius und mir mit angehört hatte. Ich merkte ihr jedoch nichts an.
»Wo bleibst du denn, Ermengard? Seid gegrüÃt, Exzellenz. Wirklich, Ermengard, was denkst du dir dabei, in einem feuchten Mantel bei Eiseskälte ein Schwätzchen zu halten? Verzeiht mir, Exzellenz, aber ich kann auch Euch den Vorwurf nicht ersparen.«
Berta scheuchte mich aus dem Stall und gab keine Ruhe, bis ich, halb entkleidet, vor dem Feuer in meinem Haus stand. Sie hatte richtig gehandelt, denn wie durchgefroren ich gewesen war, merkte ich erst, als die Kälte sich in mir festkrallte, so als werde sie aus meinem Innern genährt. Es dauerte eine geraume Weile, bevor die Wärme dank Bertas Bemühungen obsiegte. Sie brachte mir einen dampfenden Sud, eine trockene Decke und eine mit heiÃem Wasser gefüllte Schweinsblase.
»Du bist ein wahrer Schatz«, lobte ich sie.
»Blanker Eigennutz. Glaubst du, ich habe Lust, noch einmal zwei Wochen an deinem Fieberbett zu sitzen, so wie damals? Nein, vielen Dank.«
Ich lachte, und auch sie konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen. Ich vergalt ihre Freundlichkeit schlecht, denn in der Absicht, ihr eine Freude zu machen, sagte ich: »Eugenius erzählte mir,
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