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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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großer Raum, der - für mich überraschend - reichlich ausgestattet war. Überraschend deswegen, weil die Männer, die ich kenne, keinen Wert auf Behaglichkeit legen. Hier jedoch gab es mehrere Tische und sehr schön geschnitzte Truhen, byzantinisch anmutende Schemel sowie Felle auf dem Boden, darauf Sitzkissen mit spanisch-arabischen Ornamenten. Auf den ersten Blick erkannte ich, dass es sich dabei um die Erwerbungen eines langen Lebens handelte, also von Gerold. Er hatte Karl auf allen Feldzügen begleitet, von der spanischen Mark bis nach Sachsen, von Kampanien bis zur Bretagne, und er war einige Jahre lang Sondergesandter des Königs gewesen und in seinem Auftrag zum byzantinischen Kaiser, zum König von Mercia und zum Emir von Cordoba gereist.
    Die zweite Tür führte in Hugos Quartier. Es war von nüchterner Ausstrahlung, unterschied sich kaum von jenem hinter der dritten Tür und hätte somit auch Grifo gehören können, doch die vier mannshohen Kerzenlüster, die um das Bett herum auf dem Boden standen, wiesen daraufhin, dass hier Totenwache gehalten worden war. Zudem sah ich zwei Bücher auf dem Tisch liegen, und da ich wusste, dass Grifo nicht lesen konnte, und da ferner Mathilda mir erzählt hatte, sie hätte Hugo mit Lektüre versorgt, lag es auf der Hand, dass die Bücher Hugo gehört hatten.
    Grifos Quartier gefiel mir von allen am wenigsten. Ich fühlte mich dort unwohl, was jedoch nichts damit zu tun hatte, dass ich es durchsuchte. Es handelte sich um einen nahezu kahlen Raum, in dem sich die Persönlichkeit des Besitzers in keiner Weise spiegelte. Ich erwarte nicht viel bei einem so jungen Mann, allenfalls eine Jagdtrophäe oder ein Andenken an seine Mutter, einen Würfelbecher - irgendetwas.

    Da war nichts. Fast nichts. Ein Bett, ein Schemel, ein kleiner Tisch. In einer Ecke die polierte Rüstung sowie polierte Waffen. Für mich war das ein Hinweis darauf, dass Grifo sehr geradlinig dachte, und zwar geradlinig auf seine Karriere hin. Er hatte offensichtlich keine anderen Interessen als Kampf und Erfolg, anders als sein älterer Bruder, und diese unbedingte Geradlinigkeit hatte ihn tatsächlich in die Spur des Erfolges gebracht. In Grifos Alter Hauptmann der Leibwache zu werden, das wäre verblüffend.
    Meine Gefühle für diesen jungen Mann waren zwiespältig. Ich bedachte seine Neigung, sich wichtig zu machen und in den Vordergrund zu stellen, und erkannte zwar an, dass er auf dem Gebiet des Kämpfens und Tötens über große Fertigkeiten verfügte, doch ich war immer schon der Ansicht, dass bedeutende Ämter von Personen eingenommen werden sollten, deren Kenntnisse über die Aufgaben ihres Amtes hinausgehen. Wie sonst könnten sie sich weiterentwickeln? Und die Bereitschaft zur Entwicklung halte ich für den wichtigsten Anteil des menschlichen Charakters. Bei Grifo sah ich das nicht. Dem König zu gefallen, den Feind zu vernichten, mit dem Schwert unschlagbar zu sein - darauf richtete sich sein Streben. Außerdem bedachte ich, dass die meisten großen Männer so angefangen haben, nämlich mit dem brennenden Ehrgeiz, der Beste zu werden, und erst später bemerkten, dass das allein nicht genügt, um wirklich viel zu erreichen. Ob Grifo irgendwann diese Reife besitzen würde - wer konnte das wissen? Ich hielt ihm zugute, dass er im Umgang mit Gerlindis schüchtern auftrat, nach allem, was ich wusste. Diese Unsicherheit war mir sympathischer, als wenn er nach allen Regeln der Kunst wie ein Gockel um meine Nichte herumgesprungen wäre, was sie zweifellos genossen
hätte. Demnach war er nicht durch und durch ein Großsprecher.
    Endlich fand ich etwas, das mir weiterhalf - wie sehr, das erkannte ich erst später. In einer Lade gleich neben Grifos Bett lag ein Goldmedaillon mit dem Bildnis des Königs, das in der Mitte eingedellt war. Es handelte sich zweifellos um den besagten Lebensretter. Die awarische Pfeilspitze jedoch fand ich nicht, und das bedeutete, dass es sich bei der, die ich zunächst im Schneematsch gefunden und später der Jagdgesellschaft präsentiert hatte, um das passende »Gegenstück« zum Medaillon handelte.
    Das war ein schwerwiegender Beweis gegen Grifo.
    Ich gebe zu, ich war erleichtert. Meine Nachforschungen waren abgeschlossen. Ich konnte vor Arnulf treten und ihm sagen, dass er die ganze Zeit über den richtigen Verdacht gehabt hatte. Er würde

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