Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
der nun Grifo töten wolle.
    Â»Das ist nicht gesagt«, wandte ich ein und verstimmte dadurch Gerold, über dessen meist stoische Miene der Groll zog.
    Â»So? Warum nicht?«
    Â»Mir fallen mehrere Varianten ein, wieso Grifo...«
    Â»Mir nicht.«
    Â»Nun, da wäre beispielsweise die Möglichkeit, dass der Mord an Hugo nicht nur von Grifo allein begangen wurde, es also einen Mitwisser gibt, der sich des Partners entledigen will. Oder...«
    Â»Unfug«, schimpfte Gerold, aus dessen Mund ich niemals zuvor ein böses Wort gehört hatte.
    Um ihn zu beschwichtigen, sagte ich: »Selbstverständlich kann es sich völlig anders verhalten haben. Beispielsweise so, dass der Mörder beim ersten Mal versehentlich den Falschen tötete und nun nachzuholen versucht, was ihm beim ersten Mal nicht gelang. Auch ein Racheakt gegen Eure Familie wäre denkbar.«
    Doch für Beschwichtigungen war es anscheinend zu spät, und mein Wort vom Racheakt - eine Reaktion auf begangenes Unrecht - goss zusätzlich Öl ins Feuer.
    Ich bereitete also meinen Rückzug vor, mir einbildend, ich käme einfach so davon.
    Â»So, das Lager ist vorbereitet. Ich will nicht weiter stören.«
    Â»Nicht so schnell, Gräfin. Was habt Ihr hier gesucht?« Katz-und-Maus-Spiele wären nicht angebracht gewesen, die Würfel lagen ohnehin auf dem Tisch.
    Â»Ihr wisst sehr gut, was ich hier gesucht habe«, sagte ich mit fester, beinahe frecher Stimme. »Die Pfeilspitze, die ich
auf dem Jagdausflug herumzeigte, ist Euch durchaus bekannt. Sie gehört Eurem jüngsten Sohn und wurde von ihm als Andenken und Glücksbringer aufbewahrt, ebenso wie das Medaillon in der Lade dort drüben. Ich fand die Pfeilspitze an der Stelle, wo Hugo getötet wurde.«
    Ein Zucken ging durch Gerolds Körper, und erst da rief ich mir wieder in Erinnerung, dass ich sowohl mit dem Vater des Toten wie auch des mutmaßlichen Mörders sprach, mit einem Mann also, der im Begriff stand, nach dem ersten nun auch den zweiten Sohn zu verlieren. Dies einmalige Zucken erschütterte mich. Ich sah den Mann, der sich aufs Bett setzte, mit anderen Augen, den Witwer, dessen Geschichte sich bedrohlich dem Ende näherte, der mit einem Schlag im Leben nichts mehr vor sich, aber alles Gute hinter sich hatte. In der Kälte des Quartiers, reglos auf dem Bett sitzend, wirkte Gerold vereist.
    Â»Wir haben vergessen, Feuer zu machen«, sagte ich leise. Im Kohlebecken lag alles bereit, ich musste nur den Zündstein benutzen. Kurz darauf schlug mir die erste Wärme ins Gesicht. In der Zeit, die ich benötigt hatte, hatte Gerold geschwiegen.
    Â»Ja«, sagte er. Schwieg eine Weile. Dann: »Ich habe es befürchtet. Aber ich war mir nicht - ich habe gehofft...« Er schwieg erneut eine Weile. »Die Pfeilspitze - ich habe sie vorhin gleich erkannt. Grifo hat - er hat sie zusammen mit dem Medaillon vor jeder Schlacht, jedem Feldzug eingesteckt. Wie Reliquien hat er sie aufbewahrt. Mit Medaillon und Pfeilspitze, sagte er, könne ihm nichts passieren. Und jetzt wird sie ihn doch noch umbringen, Jahre, nachdem sie auf ihn abgeschossen wurde.«
    Ich ging auf ihn zu, blieb vor ihm stehen. Mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können. Alles wäre banal gewesen.

27
    ICH TRAF NUR die Alte an. Sie lag auf einem Lager aus Stroh und Fellen, das Gesicht der Decke zugewandt, die Augen geschlossen, die Hände auf der Brust gefaltet. Sie brabbelte leise, eigentlich war es eher ein singendes Brabbeln, eine monotone Beschwörung, rhythmisch, nicht über die Sprache, nur über die endlosen Wiederholungen wirkend. Ich stand bei ihr und wartete, bis sie fertig war.
    Sie richtete sich auf, als sie mich sah, und reichte mir die Hand, damit ich ihr auf die Beine half, was ich auch tat. Ich wusste nun, dass sie reden konnte, hatte jedoch nicht das Bedürfnis, mit ihr zu sprechen, und umgekehrt war es wohl nicht anders. Sie wandte sich einer Anrichte zu, goss Wasser und Wein in zwei Kelche, gab einige Tropfen aus einer Phiole hinzu und bot mir eines der Trinkgefäße an.
    Â»Nein danke,« sagte ich. »Das gestrige Getränk hatte eine seltsame Wirkung auf mich.«
    Sie nickte, als habe auch sie es bemerkt, und gab mir den Kelch. Ich nippte. Der fremdartige Geschmack, der mir schon gestern aufgefallen war, kam mir milder vor. Ich weiß nicht, warum - ich trank einen Schluck, und gleich darauf, unter dem

Weitere Kostenlose Bücher