Die Giftmeisterin
Kinderlosigkeit.«
»Unglücklich bist du, weil du dich nicht akzeptierst, wie und was du bist.«
»So? Wie und was bin ich denn?«
»Erstens: kinderlos.«
»Das ist... das ist unverschämt.«
»Es ist wahr.«
»Ich habe Gerlindis.«
»Ermengard - du bist keine Mutter! Und du wirst nie mehr eine werden. Du kannst jedoch anderes sein...«
»Ich will aber nichts anderes sein.«
»Das ist das, was du dir jeden Tag einredest. Du stehst vor einer Wand, die dich vom angeblichen Glück trennt, und
schlägst dir daran den Kopf blutig, anstatt mal zur Seite zu blicken und das kleine Fenster zu bemerken. Zweitens bist du gar nicht so lieb und rücksichtsvoll, wie du immer tust. Du hast deinen eigenen Kopf, steckst voller Ideen und Hoffnungen, voller Lust am Tun, aber du befiehlst dir, zu nähen, zu beten und zu allem Ja zu sagen.«
»Damit spielst du auf Arnulf an.«
»Und wenn?«
»Arnulf ist mein Mann. Du weiÃt wohl nicht, wie es ist, einen Mann zu haben!« Ich wollte Fionee verletzen und schoss einen Giftpfeil auf sie ab, doch sie schien immun dagegen zu sein. Ich fügte hinzu: »Ich habe meinen eigenen Platz.«
»Ich wiederhole mich: Das ist das, was du dir einredest. In Wirklichkeit denkst du anders darüber. Dein Platz gefällt dir nicht, zumindest nicht gut genug. Du möchtest Dinge tun, die dir nicht erlaubt sind.«
»Ich weià ja wohl am besten, was ich denke und was nicht.«
»Diese Einstellung ist ein weitverbreiteter Irrtum. Deine Suche nach Hugos Mörder - hast du deinem Gemahl davon erzählt?«
»Woher weiÃt du etwas über Hugo?«
»Du selbst hast mich auf den Mord angesprochen.«
»Das stimmt. Ich erinnere mich. Aber ich habe dir keinen Namen genannt.«
»Ein Mordopfer in der Pfalz ist ein dankbares Gesprächsthema auf den StraÃen. Um wieder auf dich zurückzukommen...«
Ich hob die Hand. »Nein, ich will nichts mehr davon hören.«
Fionee respektierte meinen Wunsch.
Wir schwiegen eine Weile, doch es war kein böses Schweigen. Mein Blick blieb mit Fionee verbunden. Ich fühlte mich wohl.
»Du hast mir noch nicht geantwortet«, sagte ich. »Was für eine Art Anfall hattest du?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Nicht jetzt. Es ist zu früh.«
»HeiÃt das, du wirst es mir irgendwann einmal erklären?« Sie zögerte. »GewissermaÃen.«
»Mit dem Trank hatte dein Zustand nichts zu tun?«
»Ich habe etwas anderes als du getrunken.«
»Und dieses andere hatte nichts mit deinem Zustand zu tun?«
»Nein, es leitet nur etwas ein.«
»Was leitet es ein?«
»Das Sehen.«
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Wir wechselten das Thema. Ich mochte nicht über mich sprechen und Fionee nicht über sich. Doch ich blieb. Ich war nicht nur deshalb zu Fionee gegangen, um meine Neugier wegen des Tranks zu befriedigen. Wichtiger waren mir die Zweifel, mit denen ich mich auseinandersetzte.
»Der Hof war heute auf Jagd«, sagte ich.
»Ich hörte davon.«
»Und jemand machte Jagd auf mich. Ich stürzte vom Pferd. Später stellte ich fest, dass das Pferd aus einem Blasrohr oder mit einer Schleuder beschossen worden war. Ich glaube, Emma hat es getan.«
Fionee reichte mir einen weiteren Kelch. Meinen Blick richtig einschätzend, sagte sie: »Das ist nur Wein, nichts als Wein.« Dann grübelte sie über meinen Verdacht bezüglich Emma nach. »Nehmen wir an, es ist, wie du sagst.«
»Sie will meinen Platz einnehmen, und wenn Arnulf sich
nicht scheiden lässt, bleibt ihr nur dieser Weg übrig, um ans Ziel zu kommen.«
»Was weiÃt du über sie?«
»Was ich über sie wei�«
»Ja. Was ist denn so merkwürdig an meiner Frage?«
»Sie schläft seit Jahren mit meinem Mann, das ist ja wohl das Wichtigste.«
»Und weiter?«
»Also gut, bitte sehr: Sie ist vierundzwanzig Jahre alt, kommt aus einfachen Verhältnissen, hat ein zwei Jahre altes Kind von Arnulf... Sie ist heimtückisch und rasend ehrgeizig.«
Fionee leerte ihren Kelch in einem Zug. Die Alte, die sich oft so unauffällig verhielt, dass man sie vergessen konnte, schenkte ihr nach und zog sich dann wieder in einen Winkel zurück.
»Man könnte auch zu einem anderen Schluss gelangen.«
»Was den Anschlag auf mich angeht, meinst du das?«
»Nein. Ich meine, was Emmas Wesen angeht. Sie
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