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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Greifvogel.
    Nach einiger Zeit war ich mir sicher, dass kein Teufel erscheinen würde.
    Ich trat den Rückweg an.
    Â 
    Ich war noch nicht weit gekommen, als ich die Geräusche eines Pferdes im vollen Galopp nahen hörte, dann tauchte ein Reiter am weißen Horizont der Felder auf. Er war in weite Mäntel und eine Kapuze gehüllt, und als er näher kam, sah ich, dass auch die untere Hälfte seines Gesichts verhüllt war. Das war nichts Besonderes - die Luft war bitterkalt, meine Stirn und Wangen kamen mir wie hartes Gebälk vor. Trotzdem wurde ich, was die Gestalt betraf, von einem unguten Gefühl ergriffen, möglicherweise, weil ich kurz zuvor noch an den Teufel gedacht hatte, oder aber, weil mir die Haltung des Reiters Aggressivität auszudrücken schien.

    Ich ging einen Schritt auf dem Feldweg zur Seite, um Pferd und Reiter passieren zu lassen.
    Da traf mich ein Schlag gegen den Kopf.
    Ich fiel.
    Wie schon am Tag zuvor lag ich einige Atemzüge lang ohnmächtig auf dem Boden, und als ich wieder zu mir kam und mich aufrichtete, war dort, wo mein Kopf gelegen hatte, ein roter Fleck im frischen Schnee.
    Meine ganze rechte Gesichtshälfte war taub.
    Ich blickte mich um.
    Das Pferd erhob sich unmittelbar vor mir, es bäumte sich auf. Seine Hufe stampften links und rechts meines Körpers auf, und ich meinte seine Wärme zu spüren, den Atem aus den Nüstern, den Widerstand gegen die Befehle des Reiters.
    Und dann hörte ich ein menschliches Geräusch. Ein Ächzen, Ausdruck von Anstrengung des Reiters. Doch dieser Laut kam nicht von einem Mann. Der Reiter war eine Frau.
    Es gelang mir aufzustehen. Ich machte ein paar Schritte auf den Waldrand zu, hörte das Pferd hinter mir. Einer Ahnung nachgebend, duckte ich mich, und da sauste auch schon der Prügel, der mich hatte am Kopf treffen sollen, haarscharf über mich hinweg.
    Ich stolperte.
    Die Kraft verließ mich. Ich sah das Pferd auf mich zukommen. Der Weg in den Waldrand war mir versperrt, und ich dachte, gleich ist es vorbei, Ermengard, noch so eine Attacke überlebst du nicht.
    Seltsamerweise verspürte ich keine Angst. Der Tod hatte seinen Schrecken für mich verloren.

33
    DER TOD HÄTTE mich zweifellos ereilt, wenn nicht plötzlich laute Rufe zu hören gewesen wären, von einer Frau, die querfeldein auf uns zulief und heftig mit den Armen gestikulierte, so als wolle sie einen Bären verjagen. Sie hatte Erfolg. Die Reiterin suchte das Weite.
    Â 
    Die Frau, die mich gerettet hatte, war Fionee.
    Â 
    Ich kam erst wieder richtig zu mir, als wir in ihrem Haus eintrafen. Ich hatte, wenn auch leicht benommen, auf Fionee gestützt gehen können, und doch habe ich fast keine Erinnerungen an den Weg über die Felder zurück bis nach Aachen und dort durch die Gassen bis zu ihrer Tür. Erst die Gerüche und die Wärme des Hauses weckten meine Lebensgeister.
    Die Alte begab sich sofort zu den Kräutertöpfen und zum Ofen, als sie meinen Zustand sah. Während Fionee mir ein gemütliches Lager bereitete und begann, meine verletzte Wange zu versorgen, blubberte im Hintergrund schon das Wasser. Ein neuer Geruch legte sich über alle anderen Gerüche.
    Â»Was ist mit meinem Gesicht?«, fragte ich.
    Â»Sag du es mir, Ermengard.«
    Â»Ich wurde von - von etwas getroffen, als die Reiterin...«
    Â»Es war eine Frau? Bist du sicher?«

    Â»Ich hörte sie ächzen. Es war die Stimme einer Frau.«
    Â»Du warst benommen.«
    Â»Es war eine Frau.«
    Fionee ließ es auf sich beruhen. Sie sagte: »Ich schätze, du wurdest von einem Holz getroffen.«
    Â»Holz?«
    Â»Einer Latte oder etwas Ähnlichem. Jedenfalls war es ungeschliffenes Holz, denn ich finde einige kleine Splitter in der Wunde.«
    Â»Ist sie tief?«
    Â»Nein, nicht tief. Eine Abschürfung, wenn auch eine ziemlich große.«
    Â»Vorhin habe ich gar nichts gespürt. Jetzt ist meine Wange heiß.«
    Â»Sie wird noch heißer werden, sie wird brennen, wenn ich gleich...«
    Â»Au, das tut weh.« Ich ließ die weitere Behandlung klaglos über mich ergehen, unterstützt vom Gesöff, das die Alte mir überreichte, und dachte über die Reiterin nach.
    Â»Wenn es Holz war, wie du sagst, dann spricht das für meine These, dass ich von einer Frau angegriffen wurde. Ein Mann hätte eine Schmiedewaffe zur Hand gehabt, die jedoch für eine Frau viel zu schwer ist.

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