Die Giftmeisterin
AuÃerdem kommt eine Frau an solche Waffen fast nicht heran, wohingegen Latten überall herumliegen, vor allem in der Pfalz, wo gebaut wird.«
»Ich bin fertig.« Sie sah mich an, und plötzlich war es ganz still. »Ich vermute, du glaubst, dass Emma dahintersteckt.«
Ich nickte. Stille.
»Und du wirst Arnulf nichts erzählen, habe ich recht?«
Ich nickte. Stille.
»Du wirst irgendeine Ausrede erfinden, beispielsweise dass du auf glattem Boden gestolpert bist. Du wirst ihn anlügen, weil du annimmst, dass er dir nicht glauben und dir Eifersucht und Verleumdung unterstellen würde.«
Stille. Ich nickte.
»Du fürchtest, er könnte denken, du hättest dir die Verletzung absichtlich zugefügt, um Emma zu beschuldigen.«
Stille.
»Woher weiÃt du das alles?«, fragte ich. »Fionee, sag.«
Sie sah mich noch immer an, war nah bei mir.
»Ich weià viel über dich, Ermengard.«
»Woher?«
Sie antwortete mir nicht.
Ich stellte eine andere Frage. »Wieso warst du vorhin zur Stelle, als ich dich gebraucht habe? Das war kein Zufall, oder?«
»Kein Zufall. Ich stand seit dem Morgen in der Nähe der Pfalz in der Erwartung, dass du spazieren gehst. Ich war mir nicht ganz sicher... Wohl aber war ich mir sicher, dass es dir schlecht geht, weil du mit deinem Gemahl gestritten hast. Es ging dabei um Emma.«
Stille.
Ich hatte Fionee seit dem Streit mit Arnulf nicht gesehen und sagte: »Wie kommt es, dass - dass du... Ich verstehe immer noch nicht...«
»Wir sind verbunden, Ermengard. Mehr will ich dir dazu nicht sagen. Nur, dass der Ãberfall vorhin mich genauso überrascht hat wie dich. Es gibt viele Dinge, die ich nicht weiÃ. Aber ein paar weià ich. Frag nicht, woher. Für diese Frage ist es noch zu früh.«
»Das ist unheimlich«, sagte ich, hoffend, sie würde mir dieses Wort auszureden versuchen.
»Ja«, sagte sie, »das ist unheimlich.««
Stille.
»Du sagst, ich soll nicht nach dem Woher fragen, aber... Welche Dinge weiÃt du noch?«
Ohne dass Fionee den Blick von mir löste, glitt ihre Hand langsam in ihr Gewand, verblieb einen Moment darin und glitt ebenso langsam wieder heraus, ein kleines Gefäà umklammernd.
Ich betrachtete es eine Weile.
»Was ist das?«, fragte ich schlieÃlich.
»Das«, sagte Fionee, »ist das, wonach es dich verlangt.«
34
DER TRANK HATTE die Farbe von Rubinen.
Von dunklem Wein.
Von Blut.
Von Liebe.
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Der Trank roch nach Honig.
Nach Rinde.
Nach Erde.
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Der Trank bedeutete den Tod.
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»In eine vier- bis fünffache Menge Wein gemischt, ist er kaum noch herauszuschmecken. Die Wirkung setzt allmählich ein. Wird er abends getrunken, fühlt man sich am nächsten Morgen leicht geschwächt. Man spürt etwas nahen und denkt an eine Erkältung. Im Verlauf des Tages wird die Empfindlichkeit gegen Kälte gröÃer, dann setzt ein Frösteln ein, das mit heiÃen Suden und Wein bekämpft wird. Kopfschmerzen kommen hinzu. Vierundzwanzig Stunden nach Einnahme des Trankes ist man noch immer nicht siech. Es fühlt sich an, als versuche eine Krankheit nach einem zu greifen, doch man könnte noch davonkommen. Am darauf folgenden Morgen fällt das Aufstehen schwer. Die Beine sind wie Gewichte, die Brust ist wie von einer gröÃer werdenden Blase gefüllt. Husten und Schwindel
setzen ein. Fieber ist möglich, tritt jedoch nicht bei jedem auf. Der Arzt wird gerufen. Er stellt eine Verschleimung des Atemweges fest. Handelt es sich um einen schlechten oder mittelmäÃigen Arzt, vermutet er lediglich eine ernste Erkältung. Ein guter Arzt stellt fest, dass die ganze Lunge befallen ist. Wie auch immer - die verabreichten Salben und Elixiere sind nicht stark genug, und in der Nacht wird der Zustand lebensbedrohlich. Das Atmen fällt immer schwerer. Die Krankheit erfasst das Herz. Kräftige Menschen überstehen die Nacht und den folgenden Tag, manchmal auch die auf den Tag folgende Nacht. Das Herz kämpft, es kämpft, kämpft, das Herz bleibt dann stehen.«
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»Schmerzen?«
»Wenige. Viel schlimmer ist die Angst, keine Luft mehr zu bekommen, doch man ist bald zu schwach, um noch starke Gefühle entwickeln zu können. Die Müdigkeit nimmt zu. Sie wird enorm, allumfassend. Ja, man könnte sagen, dass man an allumfassender Müdigkeit stirbt.«
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»Die Gefahr
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