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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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täuschen, und es vermutlich schon gar nicht mehr merkte; der Täuscher Leo, der sehr wohl erkannte, dass er ab jetzt ein Befehlsempfänger des fränkischen Königs sein würde, aber immer noch so tat, als stünde nur Gott über ihm; die Täuscherin Emma, die mir einen freundlichen Blick zuwarf, obwohl sie mich hasste; der Täuscher Eugenius, ein Geistlicher, der bei Fionee Gift hatte besorgen wollen - um damit was zu tun? Ich wusste es. Die Täuscherin Gerlindis, die sich höflich mit ihren Tischnachbarinnen unterhielt, sie jedoch zum Teufel wünschte, weil sie neben Grifo sitzen wollte; der Täuscher Grifo, der wie Gerlindis dachte; der Täuscher Burchard, der sich an der Tafel als lustiger Geselle gab, zu Hause aber seine Frau züchtigte, und zwar mit großer Freude; die Täuscherin Berta, die selbst mir, ihrer einzigen Freundin, nach jenem Tag in Rom zu verheimlichen suchte, was Burchard ihr antat; die Täuscherin Königin Liutgarde, die so tat, als habe sie die Kinder ihres Gemahls ins Herz geschlossen, aber die Hälfte der Schar einfältig und die andere Hälfte unausstehlich fand; die Täuscherin Gersvind, die den Anschein erweckte, sich dem König unterworfen zu haben, innerlich jedoch vor Hass gegen alles Fränkische glühte; der Täuscher Arnulf, der vorgab, Emma sei seine Konkubine, wo doch die Wahrheit so aussah, dass er Emmas Sklave war; die Täuscherin Teodrada, die böse und skurrile Geschichten
erfand, mit denen sie nicht nur andere, sondern auch sich selbst täuschte - wobei Letzteres auch nur eine Täuschung sein konnte; schließlich all die anderen Täuscher, über deren Täuschungen ich nichts wusste.
    Ich, die Gräfin Ermengard, die ich in naher Zukunft eine Giftmörderin sein würde, war noch nicht einmal die Schlimmste an dieser Tafel der Maskenträger, denn unter uns war jemand, der zwei Morde begangen hatte.
    Â 
    Bei Banketten in der Pfalz Aachen ist es üblich, dass nach einer gewissen Zeit des Stillsitzens sowohl die Gäste wie auch die Gastgeber oft die Plätze wechseln. In Anbetracht der Anwesenheit des Papstes verließ der König seinen Platz an diesem Abend nicht, ansonsten jedoch fand ein munteres Hin und Her statt, an dem auch ich mich beteiligte. Die Gespräche wurden nicht nur an der Tafel geführt, sondern mitunter abseits davon, sodass der gesamte riesige Festsaal genutzt wurde. Die Luft war warm und rauchgeschwängert; in den Ecken brieten Wildschweine, Hirsche und Hühner an langen Spießen über den Kohlebecken, und die Lakaien sorgten dafür, dass kein Gast lange ohne Bier oder Wein blieb.
    Eugenius hielt sich in der Nähe des Heiligen Vaters auf, ohne dass erkennbar gewesen wäre, zu welchem Zweck. Leo nahm kaum Notiz von ihm, ja, es schien mir so, als sei ihm die Anwesenheit seines Legaten lästig.
    Eine vier Jahre alte Erinnerung: Unterweisungen von Eugenius.
    Â 
    Wir sitzen vor einer Hütte mitten im besetzten Sachsen, im Harzgau, meinem und Arnulfs Quartier, das wir für
einige Tage bewohnen, wie wir im Lauf unseres Ehelebens so viele, viele Quartiere kurz bewohnten. Eugenius ist zu Besuch, er hat ein Buch mitgebracht. Die Luft ist mild. Wir reden. Er bringt mir einen Buchstaben bei, das A, und er zeigt mir, wo in meinem geschriebenen Namen sich das A befindet. Ich lache darüber verzückt und wundere mich zugleich, dass etwas so Simples wie der siebte Buchstabe in meinem Namen ein solches Glück in mir auslöst. Ein Gedanke kommt mir, dass es in meinem Leben nichts mehr gibt, worüber es sich zu lachen lohnt, weswegen ich dazu übergehe, über Buchstaben zu lachen. Für mich ist es schon ein Glück, ein gutes Gespräch zu führen.
    Ein Sommer neigt sich seinem Ende entgegen, der mir außer der Bekanntschaft mit Eugenius nichts Erfreuliches brachte. Der König führt seinen ich weiß nicht wievielten Sachsenfeldzug. Wieder einmal hat dieses Volk sich demütig unterworfen, um dann, kaum dass man ihm den Rücken zukehrt, die Zunge herauszustrecken und sich erneut zu erheben. Karl hat Befehl gegeben, alle in den Jahren des Friedens von den Sachsen aufgebauten Dörfer niederzubrennen, Höfe dem Erdboden gleichzumachen und Getreidefelder vor der Ernte zu roden.
    Von dem Hügel aus, wo Eugenius und ich vor der Hütte sitzen, sieht man auf ein Land, von dem überall Rauchsäulen aufsteigen. Es ist gespenstisch. Wir

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