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Die Giftmeisterin

Titel: Die Giftmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Brücke auf Brücke über den Abgrund gebaut. Sie war dabei, meine Existenz zu zerstören, mir den geliebten Mann und vermutlich sogar das Leben zu nehmen. Sie umzubringen wäre ein Akt der Notwehr gewesen, und trotzdem hatte ich mit mir gerungen, mich auf diese Art zu wehren.
    Wer noch keinen Menschen auf dem Gewissen hat, wird das Folgende vielleicht nur schwer verstehen. Sich für einen Mord zu entscheiden, heißt, diesen Mord bereits begangen
zu haben, noch bevor man zur Tat schreitet. Man entwirft diesen Mord, erfüllt ihn nach und nach mit Leben, erhndet und überdenkt alle Einzelheiten, berücksichtigt die Folgen, bezieht Schwierigkeiten mit ein, stellt alles in Frage, verbessert und verändert es - kurz, man denkt voraus. Das Verbrechen wird in den Gedanken zur Wirklichkeit, wenn die übrige Menschheit einschließlich des Opfers noch nicht das Geringste davon erkennt, und da es sich um eine zerstörerische, gewaltsame Tat handelt, wirkt sie entsprechend auf den eigenen Geist. Ich habe vorhin nicht leichtfertig den Vergleich mit einem Schlangenbiss gezogen, denn es ist tatsächlich eine Art Gift, die den Geist des Verbrechers befällt. In meinem Fall drängt sich dieses Gleichnis geradezu auf: Das Gift, das ich in der Phiole mit mir herumgetragen hatte, zersetzte mein Wesen, bevor es den Körper meines Opfers angriff. Ich war empfänglich geworden für das Verbrechen.
    Â 
    Warum Arnulf? Warum der Mann, den ich liebte, zu lieben geglaubt hatte?
    Â 
    Ich weine. Jedes Mal, wenn ich glaube, es ist nichts mehr in mir drin, sammeln sich die nächsten Tränen. Eine Verbindung wie die von Arnulf und mir muss unter Tränen begraben werden, alles andere wäre unwürdig. Wenn ich daran denke, wie ich mich am Abend der Tat nach dem Verbrechen verhalten habe... Ich stieß mit den anderen an, wechselte ein paar Worte mit Emma, lobte Gerlindis für ihre bezaubernde Aufmachung und lächelte Arnulf von Zeit zu Zeit zu. Vor allem Letzteres finde ich heute abscheulich! Was habe ich mir nur dabei gedacht?
    Nichts habe ich mir gedacht, das ist es ja gerade. Es war, als hätte ich wieder einen von Fionees benebelnden Tränken
gekostet - was nicht der Fall war. Ich erinnere mich an den Abend, höre mich reden und sehe mich lächeln, und ich denke: War das wirklich ich? Umso härter traf es mich tags darauf, als...
    Â 
    Du bist zu schnell, Ermengard! Zu schnell. Du hattest deine Gründe, doch behalte sie vorerst noch für dich. Du hast es zu eilig, dich den Dämonen zu nähern, die bereits auf dich warten. Lass dir Zeit.

44
    DAS BANKETT ERSCHIEN mir wie ein Maskenspiel, denn es hatte, obgleich fröhlicher Natur, etwas Unheimliches an sich. Eigentlich war alles wie immer: Es gab reichlich Wildfleisch und Wein, Gelächter und große Worte. Der König kündigte an, den von den römischen Adligen so schimpflich davongejagten Heiligen Vater mit großer Eskorte - also einem kleinen Heer - nach Rom zurückkehren zu lassen, wo man die Anschuldigungen, die gegen Leo erhoben wurden, prüfen und, falls sie nicht stimmten, wovon er ausgehe, die Aufständischen zur Rechenschaft ziehen würde. Damit hatte er sich zum Richter und Beschützer über den Stuhl Petri gemacht, eine Funktion, die bisher den Byzantinern zustand, und man fragte sich, wohin das alles noch führen würde. Der königliche Traum eines abendländischen Imperiums rückte wieder ein Stück näher.
    Es wurde gegessen und getrunken, und alles hätte für mich sein können wie immer, doch das war es nicht. Ich hatte das Gefühl, in Masken zu blicken. Damit meine ich nicht, dass es so war wie nach dem Sturz vom Pferd, wo ich einen Augenblick lang tatsächlich etwas zu sehen glaubte, was nicht da war. Vielmehr kamen mir alle diese Gesichter um mich herum undurchschaubar, um nicht zu sagen verlogen vor. Das hing damit zusammen, dass mein eigenes Gesicht log. Ich unterhielt mich angeregt mit den Leuten, stellte Fragen, beantwortete die ihren. Niemand wäre
auf die Idee gekommen, dass ich eine Stunde zuvor meinen Gemahl vergiftet hatte. Selbst Menschen, die mir nahestanden - Gerlindis und Berta beispielsweise, aber auch Arnulf, mein Opfer -, hätten nicht im Entferntesten eine Mörderin in mir vermutet.
    Was sind wir alle doch für Täuscher, sagte ich mir und blickte mich an der Tafel um: Karl, der als Monarch jeden Tag gezwungen war zu

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