Die Gildal Saga (Die Gildal Saga (Sammelband)) (German Edition)
Gewissen gehandelt. Und es hätte auch gar keine Schwierigkeiten gegeben, wenn Reginald seine große Klappe nicht aufgerissen hätte. Die Erinnerung daran ließ Luthers Zorn auf seinen Cousin erneut aufflammen. Doch Reginald war von seinem Bruder Gerald schon aus Luthers Reichweite entfernt worden.
„Ravenwood hätte sich der Sache schon angenommen, schließlich kam das Heiratsangebot von ihm. Und ich habe genau geprüft, ob er fähig ist, unsere Schwester gebührend zu beschützen und für sie zu sorgen!“
„Das ist genau der Punkt!“, ereiferte sich Theo für das Thema, das sie schon öfter diskutiert hatten. „Es geht nicht darum, was du - oder ein anderer von uns - über den Mann denkst, der einmal Gillians Ehemann sein wird. Die Gefühle unserer Schwester sollten bei so einer wichtigen Frage im Vordergrund stehen. Und wie es aussieht, hat sie uns jetzt ihre Ansichten anschaulich demonstriert!“
Luther kochte. Von einem seiner Brüder gemaßregelt zu werden war eine Beleidigung. Reginald fühlte sich unwohl in der Atmosphäre, die mittlerweile im Raum herrschte. Wenn er nur sein loses Mundwerk gehalten hätte! Aber irgendwann wäre die Sache so oder so aufgeflogen, und wenn ihm Luther nicht die Haut abzog, dann hätte sich Gillian vielleicht an dieser Aufgabe versucht.
„Gilly sitzt bestimmt nur in irgendeiner Ecke und schmollt. Wenn sich ihre erste Enttäuschung gelegt hat, kommt sie und macht Luther die Hölle heiß!“
„Genau!“, versuchte sich Gerald der Aussage seines Bruders anzuschließen. „Ihr wisst doch, wie Gilly ist. Sie regt sich schnell auf, beruhigt sich aber genauso schnell wieder, wenn man ihr die Gelegenheit gibt, sich lautstark zu beschweren. Die Sache kommt bestimmt schnell wieder in Ordnung!“
Bisher waren Gillians Auseinandersetzungen mit ihren Brüdern oder den Cousins immer so abgelaufen. Aber das Mädchen hätte bei diesem Verlauf eigentlich schon seit Stunden wieder aufgetaucht sein müssen. Und dann hätte sie sich dagegen gewehrt, so mir nichts dir nichts mit einem Fremden verheiratet zu werden.
Dass dem nicht so war machte alle langsam nervös. Auch - oder vor allem - Luther, der eine Heidenangst davor hatte, seiner kleinen Schwester könnte ein Leid widerfahren sein. Nur um ihrer Sicherheit willen hatte er sich für die Bewerbung von Ravenwood entschieden. Weil er wusste, dass dieser Mann fähig war, Gillian mindestens ebenso gut zu beschützen wie er es selbst tun würde. Und weil Ravenwood schon einmal bewiesen hatte, dass er dazu fähig war.
Gillian war ihre kleine Prinzessin, das letzte Vermächtnis ihrer aller Mutter, die sich so sehr ein kleines Mädchen gewünscht hatte. Dass sie dieses Kind nie würde aufwachsen sehen, hatte das Kind für alle umso wertvoller gemacht. Und was konnte falsch daran sein, so einen Schatz mit allen Mitteln beschützen zu wollen?
„Ich gehe sie suchen“, erklärte Luther und machte damit der Warterei ein Ende. Und es dauerte keinen Wimpernschlag bis sich ihm alle anderen anschlossen.
* * *
Caleb hob Gillian aus dem Sattel, während der Stallbursche Luzifers Zügel festhielt. Dann trug er das Mädchen die drei Stufen zum Eingang des Haupthauses hinauf, wo die Tür schon für ihn offen stand.
Gillian hätte sich gerne ein wenig umgesehen, aber sie war dafür schon viel zu müde. Ihr fehlte der Schlaf der vergangenen Nacht, und die Schmerzen in ihrem Bein machten ihr auch zu schaffen.
Plötzlich von Wärme umgeben zu sein, das ließ sie in ihrem nebelfeuchten Kleid frösteln. Ihr Körper konnte die Wärme in der Wohnhalle gar nicht schnell genug aufnehmen, so dass sie zitterte.
Caleb spürte, wie Schauer Gillians Körper schüttelten. Er war eigentlich schon auf halbem Weg zur Treppe, um sie in ein Schlafzimmer zu bringen, überlegte es sich aber kurzfristig wieder anders. Zuerst musste er das Mädchen warm bekommen. Darum steuerte er eine breite Bank vor dem Kamin an, auf der er sie absetzte. Dann wandte er sich dem Feuer zu, das nur leicht vor sich hin glimmte, und fachte es stärker an. Im Nu stieg die Raumtemperatur.
Gillians Kleider fühlten sich weiterhin klamm an, was ihr draußen im Nebel gar nicht so deutlich aufgefallen war. Aber jetzt konnte sie es leider nicht mehr ignorieren, und darum streckte sie die Hände dem Feuer entgegen. Hätte sie auftreten können, hätte sie sich direkt vor das Feuer gestellt, aber so konnte sie nur über ihre Hände versuchen ein bisschen mehr Wärme aufzusaugen.
Caleb sah sie
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