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Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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die Zwergin wird das Ende des Tages nicht erleben. Wir beobachten dich.

    Jonathan blickte angsterfüllt zu dem Wermenschen auf, der auf die ordentlich zusammengelegte Bettdecke deutete.
    »Seltsam. Keine Anzeichen eines Kampfes. Wenn sie tatsächlich jemand geschnappt hat, dann ist das eine der sanftesten Entführungen, die ich je gesehen habe. Können wir wirklich sicher sein, dass sie die Wahrheit sagen?«
    Jonathan hob den Umschlag vom Bett auf und zog daraus mit zitternden Händen eine blonde Strähne von Miss Elwoods Haar hervor.
    »In Ordnung, sie sagen die Wahrheit.«

5
    Ein Sturm zog auf. Jonathan hetzte unter einer dunklen Wolkendecke die Prinz-Albert-Straße entlang. Die Hitze staute sich und die Luft war elektrisch aufgeladen. Er spürte, wie sich der Schweiß in seinen Achselhöhlen und auf seinen Handflächen sammelte. Ob dies am Wetter oder an seiner Anspannung lag, konnte Jonathan nicht genau sagen.
    Er wollte es sich zwar nicht eingestehen, aber er war nervös. Während seines Aufenthalts in Darkside hatte Jonathan sich ein paar wenige, aber sehr gefährliche Feinde gemacht, von denen jeder in der Lage wäre, Miss Elwood zu entführen. Er wünschte, Carnegie wäre bei ihm. Der Wermensch wollte ihn begleiten, aber die Nachricht war, was das betraf, brutal deutlich gewesen: Jonathan musste allein gehen. Selbst wenn es Lucien Ripper war, der ihm auflauerte, konnte Jonathan es nicht riskieren, dass Miss Elwood etwas zustieß. Seit Theresa verschwunden war, hatte sie die Rolle seiner Ersatzmutter eingenommen. Der Gedanke, sie auch zu verlieren, war für Jonathan unerträglich.
    Eingebettet in das weite Grün des Regent’s Park, bildete der Londoner Zoo eine eigene geheimnisvolleWelt. Er war am Rande des mondänen Parks gelegen und man konnte sich gar nicht vorstellen, dass in seinem Inneren Raubkatzen und Gorillas umherschlichen. Durch die ersten Regentropfen erspähte Jonathan den Eingang an der Äußeren Ringstraße. Es war spät am Nachmittag, kurz bevor der Zoo seine Pforten schloss, und an den Kassen bildeten sich keine Schlangen. Jonathan bezahlte seine Eintrittskarte, durchquerte das Drehkreuz und verschaffte sich einen Überblick über die Umgebung.
    Auf den ersten Blick gab es nicht viel zu sehen. Ein Geflecht aus Pfaden verteilte sich in alle Richtungen und verschwand hinter den verschiedenen Gehegen. Nur das entfernte Zwitschern einiger Vögel und der strenge Geruch nach Tierkot ließen darauf schließen, dass es hier überhaupt Tiere gab. Die späte Tageszeit und der heraufziehende Sturm hielten die Menschenmengen fort und so schlenderte nur eine Handvoll Besucher in der Nähe des Eingangs herum. Trotz des Wetters aß eine Familie vor einem Café ihr Eis und eine Gruppe Touristen zeigte sich lachend gegenseitig ihre Handyfotos. Vor den mächtigen Säulen des »Königreichs der Gorillas« quiekte eine Gruppe von bunt gekleideten Grundschulkindern vergnügt vor sich hin.
    Der Regen trommelte in einem schneller werdenden Rhythmus auf den Boden. Ängstlich blickte Jonathan auf seine Uhr. Es war fünf nach vier. Das Zebra hätte schon längst da sein sollen, aber es war nirgendwo eines zu entdecken, und auf dem Plan war auch kein Zebragehege eingezeichnet. Er konnte sich ohnehin nichtvorstellen, dass Tiere im Zoo frei herumlaufen durften. Das ergab alles keinen Sinn. War die Nachricht verschlüsselt? Was, wenn er einen Hinweis übersehen hatte? Würden sie Miss Elwood etwas antun?
    Immer mehr Touristen trotteten herbei und drängten sich im stärker werdenden Regen dicht zusammen, während sie in Richtung der Drehkreuze am Ausgang strömten. Ein schriller Schrei ließ Jonathan herumwirbeln, aber er stammte lediglich von einem der Schulkinder, das sich weigerte, einen Regenumhang überzuziehen.
    Er wollte sich gerade wieder abwenden, als er eine Bewegung über den Köpfen wahrnahm. Jonathan strich sich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht und beobachtete, wie in der Luft ein Regenschirm langsam geöffnet wurde. Er hatte schwarze und weiße Längsstreifen, die ihn wie die Tarnzeichnung eines Tiers erscheinen ließen. Das Zebra! Wer auch immer diesen Regenschirm hielt, wandte Jonathan den Rücken zu und verbarg seine Gestalt unter einem langen braunen Mantel. Die Gestalt setzte sich in Bewegung und marschierte links von ihm einen Pfad entlang. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.
    Die Gestalt ging nach Norden, entgegen dem Strom der Menschen, die zum Ausgang drängten. Jonathan

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