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Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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blieb einige Meter weit zurück, unschlüssig, ob er versuchen wollte, sie einzuholen, oder ob er zu sehr Angst davor hatte, ihre Identität aufzudecken. Sie durchquerten die Unterführung der Äußeren Ringstraße und ihre Schritte hallten von den Wänden wider. Der zweite, kleinere Teil des Zoos war menschenleer, und JonathansHerz raste, als er sich nach rechts wandte und durch einen Gang lief, der zu einem kleinen Gebäude führte. Am Eingang des Gebäudes klappte die Gestalt den Regenschirm zu und drehte sich um.
    »Hallo, Jonathan«, sagte Marianne Ripper.
    Er hätte wirklich wissen sollen, dass sie es sein musste. Darksides beste Kopfgeldjägerin hatte es irgendwie geschafft, sich eine Zoowärteruniform zu besorgen. Sie trug ein Safarihemd, Shorts und Gummistiefel. Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden, abgesehen von einer einzelnen Strähne, die ihr ins Gesicht fiel und deren leuchtendes Grün sich deutlich vor ihrer blassen Wange abhob. Jonathan atmete tief durch und war nicht gewillt, ihr die Genugtuung zu gönnen, erschrocken auszusehen.
    »Ach, du bist es.«
    »Das ist alles? Es sieht nicht so aus, als würdest du dich freuen, mich zu sehen. Ich dachte zumindest, dass du überrascht sein würdest.«
    »Na ja, du bist ja meistens in der Nähe, wenn es irgendwo Ärger gibt.«
    Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
    »Das hast du aber nett gesagt!«
    Wie üblich war sich Jonathan nicht ganz schlüssig, ob sie ihn auf den Arm nahm oder nicht und ob er sie hasste oder nicht. Er versuchte, den schwachen Duft ihres Parfüms zu ignorieren, das sie in der Vergangenheit als Betäubungsmittel eingesetzt hatte. Dann schoss ihm ein Bild von Miss Elwood durch den Kopf, und seine Entschlossenheit wuchs.
    »Du hast eine Freundin von mir entführt, Marianne. Ich will sie zurück.«
    Die Kopfgeldjägerin seufzte.
    »Ach Jonathan, je älter du wirst, desto ernster wirst du. Es wird nicht mehr lange dauern, dann hat man gar keinen Spaß mehr mit dir.« Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Nun denn. Lass uns reingehen. Wenn du unbedingt übers Geschäft reden willst, dann ist dort jemand, dem du Hallo sagen solltest.«
    Sie hielt die Tür zum Gebäude auf und Jonathan ging widerwillig hindurch. Im Inneren war die Luft künstlich heiß und feucht, sodass kleine Dampfwolken von Jonathans durchnässter Kleidung aufstiegen. Marianne führte ihn an der »Tiere des Regenwaldes«-Austellung vorbei und dann eine Treppe hinunter, die sich in der Mitte des Raumes befand. Im Vorbeigehen sah Jonathan ein Schild mit der Aufschrift »Nacht-Zone«, und plötzlich dämmerte ihm voller Unbehagen, wer in der Dunkelheit unter ihm auf ihn wartete. Instinktiv wollte er auf dem Absatz kehrtmachen und fliehen, doch eine Hand schnellte vor und hielt ihn wie ein Schraubstock am Handgelenk fest.
    »Er wird nur wütend, wenn du ihn warten lässt«, flüsterte ihm Marianne leise ins Ohr. »Und wenn dir wirklich etwas an deiner Freundin liegt, dann wirst du das bestimmt nicht wollen.«
    Er hatte keine Wahl. Mit hängenden Schultern ließ er sich von der Kopfgeldjägerin die Treppe hinuntergeleiten.
    Die »Nacht-Zone«, ein düsterer Zufluchtsort für die Kreaturen der Nacht, die sich vor dem gleißenden Sonnenlichtversteckten. Es war eine dunkle Welt des Kreuchens und Fleuchens und der kleinen Gesichter mit großen, runden Augen. Während Marianne ihn immer tiefer ins Innere der Ausstellung führte, bemerkte Jonathan, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Ratten versteckten sich in den Ecken ihrer Käfige, Skorpione verkrochen sich unter Steine und die Giftfrösche flüchteten sich ins Wasser. Genau wie er spürten sie alle die Anwesenheit eines mächtigen Raubtiers.
    In der Haupthalle standen zwei Gestalten vor einer Glasscheibe. Ein hochgewachsener, blonder Mann stand neben einem rothaarigen Mädchen, das ein langes schwarzes Kleid trug: der Vampir Vendetta und sein Dienstmädchen Raquella.
    Hinter der Glasscheibe kreischte eine Schar Fledermäuse aufgeregt vor sich hin. Ihre Krallen blitzten und schließlich entfalteten sie ihre Flügel und flatterten kraftvoll davon.
    »Ratet mal, wer mir im Zoo zufällig begegnet ist?«, rief Marianne.
    Vendetta drehte sich nicht um. Raquella warf ihm über die Schulter einen eisigen Blick zu.
    »Jawohl! Jonathan Starling! Ich dachte mir, dass euch das freuen wird.«
    Sie schob den Jungen vor, sodass er neben dem Vampir zum Stehen kam, der ganz auf die Fledermäuse fixiert

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