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Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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und marschierte selbstbewusst zur Bühne, wo Mountebank ihr ein gewinnendes Lächeln schenkte und ihr hinaufhalf. Seine Hand war eiskalt.
    »Vielen Dank, meine Liebe. Wie heißt du?«
    »Raquella«, antwortete sie und fühlte sich plötzlich im hellen Schein des Bühnenlichts ganz klein.
    »Wirklich? Was für ein ungewöhnlicher Name!«, erwiderte Mountebank fröhlich. »Gut, Raquella, du hast die Ehre, mir bei meinem besten Trick zu helfen. Es ist ein Kartentrick.«
    Das Publikum stöhnte. Er hob beschwichtigend die Hände. »Ich bitte Sie. Ich bin mir sicher, dass Sie diesenTrick genauso außergewöhnlich finden werden wie den Namen der jungen Dame.«
    Raquella blinzelte. Plötzlich hielt der Magier ein Kartenspiel in seinen Händen. Er fächerte es auf und drehte den Kopf zur Seite.
    »Bitte wähle eine aus und zeig sie dem Publikum, aber achte darauf, dass ich sie nicht sehen kann! Dann signiere die Karte und stecke sie zurück. Zu den anderen.«
    Raquella war bemüht, schnell wieder von der Bühne zu kommen, wählte schnell eine Karte aus und sah sie sich an. Das kalte Gesicht der Schwert-Königin starrte sie an. Aus einem unerklärlichen Grund lief ihr ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Sie zeigte die Karte dem Publikum und signierte sie, bevor sie sie in den Stapel zurückschob. Mountebank lächelte und ließ die Karten ebenso schnell verschwinden, wie sie erschienen waren.
    »Ausgezeichnet! Vielen Dank, meine Liebe.«
    Raquella machte einen Knicks und wollte die Bühne verlassen, aber der Magier packte ihre Hand.
    »Wenn du mir nur noch bei einer Sache behilflich sein könntest. Um diesen Trick zu vollenden, brauche ich die Hilfe meiner patentierten Kartenziehmaschine.«
    Von der Seite ertönte ein lautes Rumpeln von Rädern und zwei Assistenten in schwarzen Kapuzenkostümen schoben eine riesige Maschine auf die Bühne. Sie sahen verdächtig wie Henker aus. Mit viel Getöse und Theater zog sich Mountebank selbst auch eine weiße Kapuzeüber und geleitete Raquella zu seiner »patentierten Kartenziehmaschine«. Aus der Nähe konnte sie erkennen, dass die Maschine aus einem Stahltisch bestand, über dem ein Baldachin aus blitzenden Stahldornen hing. An den Ecken des Tisches waren Lederriemen befestigt.
    »W…wirklich«, stammelte Raquella. »Ich weiß nicht, ob ich das will …«
    »Entspann dich, meine Liebe«, erwiderte er und packte sie fest an ihren Handgelenken. »Ich habe diesen Trick schon tausend Mal vorgeführt. Es ist bisher nur zweimal schiefgegangen.«
    Niemand lachte. Im Saal machte sich ein erwartungsvolles Murmeln breit.
    Mountebank brachte sie dazu, sich auf den Tisch zu legen, und begann, die Lederriemen um ihre Beine und Knöchel zu schlingen, wobei er die ganze Zeit mit dem Publikum sprach.
    »Weißt du, um das Wesen deiner Wahl zu erforschen, muss diese Maschine dein Wesen erforschen. Und das tut sie mithilfe dieser speziellen ›Gedankenleser‹ hier.«
    Der Magier schnippte gegen eine der Dornen, die ein metallisches »Pling« von sich gab. Als er den letzten Riemen befestigt hatte, beugte er sich über Raquella und flüsterte so leise, dass nur sie ihn hören konnte:
    »Niemand kommt zu spät zu meiner Vorstellung.« Seine Augen funkelten bedrohlich hinter den Sehschlitzen.
    »Wie bitte?«
    Mit einer ausladenden Bewegung zog er einen Vorhang vor seine Maschine und ging zurück zum Bühnenrand. Raquella blickte verängstigt auf die Dornen-Armada, die über ihr funkelte.
    »Die oberste Regel der Zauberei besagt, meine Damen und Herren, dass der Schein trügen kann. Hier geht es um mehr als einen Kartentrick. Hier steht ein Leben auf dem Spiel.«
    Raquella begann sich zu winden, aber die Riemen waren straff, und sie hatte keinen Platz, sich zu bewegen. Die sonore Stimme des Magiers wurde lauter und erfüllte den Saal.
    »Sehen Sie mit Schrecken, wie Mountebank der Makabere den gefährlichsten Trick in ganz Darkside vorführt. Möge der Ripper ihrer Seele gnädig sein, wenn er nicht funktioniert.«
    »Bitte, nein! Carnegie!«
    »JETZT!«
    Es klickte und die Dornen sausten herab. Raquella schrie auf.

13
    Jonathan war sehr froh, dass Correlli ihn spät in der Nacht zum Bahnhof King’s Cross begleitete. Der Feuerschlucker hatte seine Arme bedrohlich vor seiner blanken Brust verschränkt. Fray und Nettle waren aufgebrochen, um ihre Sachen aus ihrem Zimmer zu holen, zwar immer noch zankend und mit dem Finger drohend, aber anscheinend standen sie auf ihrer Seite. Nun warteten sie auf das

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