Die Gilde der Diebe
zu sein schien. Eine dicke grüne Flüssigkeit quoll aus der Wunde. Xavier zappelte und wand sich und erwischte mit einem Bein Jonathan am Kinn. Der Junge stolperte rückwärts und landete hart auf dem Boden. Er hörte einen weiteren fürchterlichen Schrei, dann wurde es still. Erschöpft lag Jonathan auf dem Steinboden.
Er öffnete die Augen und erblickte über sich eine große, zerzauste Gestalt.
»Schätze, ich bin dir was schuldig, Junge. Alles in Ordnung?«
Jonathan nickte und holte tief Luft. Er zeigte zur Decke.
»Raquella … wir müssen sie runterholen.«
»Überlass das mir.«
Carnegie schwang sich athletisch zum oberen Rand des Netzes empor und durchtrennte mit seinen Klauen die Reste des Kokons. Er legte sich Raquella über die Schulter und kletterte wieder herunter. Normalerweise wäre das Dienstmädchen angesichts einer solch groben Behandlung zutiefst erbost gewesen, aber sie maulte nicht und schimpfte nicht. Der Wermensch setzte sie behutsam auf dem Boden ab und hob ihr Kinn an, damit er ihr in die Augen blicken konnte. Sie sah zutiefst verängstigt aus.
»Geht es ihr gut?«, fragte Jonathan und spähte nervös über Carnegies Schulter.
»Sie steht unter Schock«, stellte der Wermensch fest. »Kaum verwunderlich. Es wird das Beste sein, wenn wir sie hier rausbringen.«
Jonathan nickte in Richtung des Speers, der aus Xaviers Seite ragte.
»Gut, dass du den mitgebracht hast.«
»Ich hab ihn auf dem Weg hierher in einem Schirmständer gefunden. War die einzige Antiquität, die so aussah, als könne sie in einem Kampf von Nutzen sein.«
Ein Rumpeln drang vom anderen Ende der Kammer herüber. Correlli tauchte hinter den Resten des Spinnennetzes auf. Er hatte eine brennende Fackel in der einen und eine dicke Eisenstange in der anderen Hand. Carnegie fletschte verärgert die Zähne.
»Besser spät als nie«, knurrte der Wermensch sarkastisch. »Wo um Darksides willen hast du gesteckt?«
Correlli breitete beschwichtigend die Arme aus.
»Als meine Fackel ausging, hatte ich keine Waffe mehr, und ich wollte das Ding nicht mit bloßen Händen bekämpfen. Also habe ich nach etwas Großem gesucht, um es damit zu schlagen. So wie es aussieht, habt ihr mich eh nicht gebraucht.« Correlli ließ die Stange auf den Boden fallen. »Wo sind Fray und Nettle?«
Carnegie lächelte säuerlich.
»Sie haben sich entschlossen, mit den verbleibenden Wachen eine kleine Hetzjagd um das Haus herum zu veranstalten. Ich glaube, es macht ihnen sogar Spaß.«
»Das freut mich für sie, aber uns läuft die Zeit davon«, drängte Jonathan. »Wir müssen den Tresor finden.«
Correlli deutete mit dem Daumen in die Richtung, aus der er gekommen war. »Er ist da drüben. Ich …«
»Verfluchter Mist!«
Der Wermensch packte Correlli am Kragen und zog ihn so nahe an sich heran, dass ihre Nasenspitzen sich fast berührten.
»Du hast nicht nach einer Waffe gesucht, du jämmerlicher Dieb«, stieß er zwischen seinen gefletschten Zähnen hervor. »Du dachtest, Xavier wäre zu sehr damitbeschäftigt, den Jungen zu fressen, dass er nicht merken würde, wie du dich mit seinem Juwel davonmachst!«
In der Vergangenheit hatte Jonathan gesehen, wie einige der hartgesottensten Verbrecher Darksides bei Carnegies Verhören zu jammern und zu stottern begannen. Aber Correlli sah dem Wermenschen einfach gelassen in die Augen und sagte ruhig:
»Ich sage die Wahrheit. Ich habe nach einer Waffe gesucht. Ich bin dabei zufällig über den Tresor gestolpert.«
»Ich glaube dir kein Wort«, fauchte Carnegie.
Jonathan zwängte sich zwischen die beiden Männer und drängte sie auseinander.
»Wir haben keine Zeit für so etwas! Klärt das später. Correlli und ich werden versuchen, den Tresor zu knacken. Und du, Carnegie, musst Raquella hier rausbringen.«
Der Wermensch schüttelte den Kopf.
»Ich werde dich nicht mit ihm allein lassen. Er wird dich reinlegen.«
Jonathan deutete auf das Dienstmädchen, das immer noch auf dem Boden saß, die Arme um die Knie geschlungen, und vor sich hin murmelte.
»Sieh sie dir an! Sie kann nicht hierbleiben!« Er zog Carnegie auf die Seite und flüsterte ihm leise ins Ohr.
»Ich bin schuld, dass sie überhaupt in diesen Schlamassel reingezogen wurde. Du bist die einzige Person, der ich vertrauen kann, dass sie sie in Sicherheit bringt. Bitte, Carnegie.«
Ein tiefes Unmutsgrollen entwich aus der Kehle des Wermenschen.
»Mir gefällt das nicht, Junge.«
»Muss es auch nicht. Ich passe auf mich auf,
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