Die Gilde der Diebe
sein.«
Sie marschierten an den anderen Juwelen vorbei und beugten sich über die unscheinbare Schatulle. Jonathan blickte zu Correlli auf.
»Meinen Sie, dass wir einen kurzen Blick darauf werfen können, bevor wir ihn mitnehmen?«
Der Feuerschlucker grinste von einem Ohr zum anderen.
»Ich denke, das ist das Mindeste, was wir uns verdient haben. Diese Ehre gebührt dir.«
Mit zitternden Händen öffnete Jonathan den Verschluss und bereitete sich darauf vor, seine Augen an Darksides wertvollstem Juwel zu weiden. Dann spürte er einen heftigen Schlag auf seinen Hinterkopf und verlor das Bewusstsein, bevor er auch nur aufschreien konnte.
21
»Und als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Krankenhausbett.«
Die Stille legte sich wie Morgentau über den Vernehmungsraum B, nachdem Jonathan seine Geschichte beendet hatte. Er nahm zum ersten Mal an diesem Nachmittag einen Schluck Wasser und starrte trotzig vor sich hin. Von irgendwo aus dem Polizeirevier drang das Geräusch einer Faust, die gegen eine Zellentür hämmerte, zu ihnen.
Auf der anderen Seite des Tisches saß Inspektor Charlie Wilson und war sprachlos. Er hatte der Geschichte des Jungen mit wachsender Ungläubigkeit gelauscht. Geister und Wichte, Steine mit magischen Kräften, eine teuflische Höhle, die irgendwo in London verborgen lag … er hatte im Laufe seiner Karriere so manch wilde Geschichte und Ausrede gehört, aber diese hier war die Krönung. Es war schon schlimm genug, in diesem schwülheißen Raum sitzen zu müssen, ohne dass man einem Bengel zuhören musste, der irgendwelche Märchen zusammenfantasierte. Als Jonathan von seinem Kampf mit der Riesenspinne berichtete, hatte Wilson abwehrend die Arme verschränktund ein finsteres Gesicht aufgesetzt. Nun seufzte er und schüttelte den Kopf.
»Hab ja gesagt, Sie würden mir nicht glauben«, schmollte der Junge.
Wilson lachte ungläubig.
»Dir glauben? Natürlich glaube ich dir, Jonathan!« Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. »Du bist mit einer Gruppe von Super-Zirkusartisten in eine Villa eingebrochen, um einen kostbaren Stein zu stehlen, weil ein Vampir eine Freundin von dir als Geisel genommen hat. Wie könnte ich es wagen, dir das nicht zu glauben?«
»Es ist aber die Wahrheit«, erwiderte Jonathan stur.
»Es ist Blödsinn und du verschwendest unsere Zeit. Wir haben Xaviers Villa genau unter die Lupe genommen und nichts entdeckt, was deine Geschichte bestätigen würde. Keinen Feuerschlucker, keinen toten Magier, kein riesiges Spinnennetz und vor allem keine überdimensionalen Spinnen. Aber weißt du, was wir gefunden haben? Einen jungen Kerl, der bewusstlos im Tresor in einem verstaubten Keller einer verlassenen Villa lag und einen Saphir in der Hand hielt, der etliche Millionen wert ist!«
Wilson beugte sich über den Tisch und fügte mit etwas sanfterer Stimme hinzu:
»Hör mal, es ist mir egal, wen du versuchst zu schützen. Vielleicht ist es ein guter Freund oder sogar ein Familienmitglied. Vielleicht denkst du, dass du das Richtige tust. Aber du musst eines einsehen: Je eher du aufhörst, uns solche Räuberpistolen zu erzählen, und uns erklärst, was wirklich passiert ist, umso eher wird sich deine Lage verbessern.«
Der Junge schnaubte missbilligend und starrte auf seine Füße.
Kommissar Carmichael streckte sich und gähnte lautstark, wobei sich sein schlecht sitzendes Hemd spannte. Er hatte während Jonathans Ausführungen vor sich hin gedöst. Seine Augen waren geschlossen und sein Kopf war leicht nach hinten geneigt gewesen. Lediglich als der Junge seine Begegnung im Zoo erwähnte, hatte der Kommissar seine Augen geöffnet und den Kopf nachdenklich schief gelegt. Falls ihn das lächerliche Märchen überrascht hatte, so hatte er es sich nicht anmerken lassen.
»Also, Jonathan«, sagte er nun freundlich, »und was für einen Plan hast du jetzt?«
Der Junge blickte ihn zögernd an.
»Plan?«
»Nun, heute ist Mittwoch. Dir bleibt also noch ein Tag, bis das Ultimatum abläuft. Wie willst du deine Freundin retten?«
Eine Pause entstand, bis Jonathan schließlich antwortete.
»Raus hier, Correlli finden, Correlli umbringen, ihm den Stein abnehmen und ihn Vendetta bringen.«
Wilson verdrehte die Augen.
»Ich glaube nicht, dass du davon sprechen solltest, jemanden umzubringen, Kleiner. Du hast auch so schon genügend Ärger am Hals.«
»Das ist mir egal«, entgegnete Jonathan leise. »Er hat uns betrogen. Nach allem, was passiert ist, nachdem Mountebank gestorben ist
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