Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Meisterin - The Magician's Guild 3: The High Lord
herbstlichen Orangeton waren. Sonea streckte die Hand aus, und ihre Finger glitten durch die eigenartige Blüte hindurch. Sie zerstob zu tausend Lichtfunken, die, bevor sie verschwanden, einen flinken Tanz aufführten.
»Gut gemacht!«, rief Trassia.
»Das war ich nicht.« Als Sonea sich umdrehte, grinste Seno sie an. Auf dem Tisch vor ihm lag ein orangefarbenes Blatt.
Lord Makin, der vor der Klasse stand, räusperte sich vernehmlich. Sonea drehte sich um stellte fest, dass der Lehrer sie mit einem strengen Blick bedachte. Sie zuckte die Achseln, um ihre Unschuld zu beteuern. Er deutete vielsagend mit dem Kopf auf die Frucht vor ihr.
Sie konzentrierte sich, bis eine illusionäre Kopie daneben auftauchte. Sie war von einem dunkleren Rot, als sie hätte sein sollen, und die Beschaffenheit ihrer Haut hatte verdächtige Ähnlichkeit mit der Nervatur eines Blatts. Sonea seufzte. Es wäre einfacher gewesen, hätte ihr nicht die Erinnerung an Herbstblätter so frisch vor Augen gestanden. Sie kämpfte ihren Ärger nieder. Seno hatte nicht die Absicht gehabt, sie abzulenken. Er hatte lediglich angegeben.
Aber warum stellte er seinen Erfolg nur vor ihr zur Schau und vor niemandem sonst? Er versuchte sicher nicht, sie zu beeindrucken.
Oder vielleicht doch?
Sie widerstand der Versuchung, sich umzudrehen und festzustellen, was er tat. Seno war ein fröhlicher Junge, redselig und liebenswert, und sie war wahrscheinlich das einzige kyralische Mädchen, das ihn nicht überragte …
Worüber denke ich da nach? Stirnrunzelnd stellte sie fest, dass ihre Illusion sich in einen formlosen, leuchtenden Ball verwandelt hatte. Selbst wenn ich mir nicht Akkarins wegen Sorgen machen müsste, was ist mit Dorrien?
Eine Erinnerung stieg in ihr auf: Rothens Sohn, wie er an der Quelle im Wald hinter der Gilde gestanden und sich vorgebeugt hatte, um sie zu küssen. Sie drängte das Bild beiseite.
Sie hatte Dorrien seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Wann immer ihre Gedanken in seine Richtung wanderten, zwang sie sich, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Es war sinnlos, etwas zu bedauern - außerdem wäre es ohnehin eine unmögliche Beziehung gewesen. Sie würde bis zu ihrem Abschluss in der Gilde festsitzen, während er bis auf wenige Wochen im Jahr weit entfernt lebte, in einem Dorf am Fuß der Berge.
Seufzend richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die Frucht und machte sich daran, ihre Illusion wieder aufzubauen.
Als Lorlen die Tür seines Büros erreichte, hörte er eine vertraute Stimme seinen Namen rufen. Er drehte sich um und lächelte, als er seinen Assistenten auf sich zukommen sah.
»Guten Abend, Lord Osen.«
Auf seinen Befehl hin löste sich das magische Schloss, und die Tür wurde geöffnet. Lorlen trat beiseite und bedeutete Osen, hereinzukommen, aber sein Assistent zögerte sichtlich, und ein Stirnrunzeln trat an die Stelle der Überraschung in seinen Zügen. Lorlen folgte Osens Blick und sah nun ebenfalls den schwarz gewandeten Mann, der entspannt in einem der bequemen Sessel im Raum saß.
Akkarin hatte die Neigung, in verschlossenen Räumen oder an unerwarteten Orten aufzutauchen, aber das erklärte Osens Zögern nicht. Lorlen sah seinen Assistenten noch einmal an. In den Zügen des jungen Magiers war jetzt nur noch Respekt zu lesen; von der flüchtigen Missbilligung, die Lorlen wahrgenommen hatte, war nichts mehr zu erkennen.
Seine Abneigung gegen Akkarin ist mir noch nie aufgefallen, überlegte Lorlen, während er zu seinem Schreibtisch ging. Wie lange er dieses Gefühl wohl bereits hegen mag?
»Guten Abend, Hoher Lord«, sagte Lorlen.
»Administrator«, erwiderte Akkarin. »Lord Osen.«
»Hoher Lord.« Osen verneigte sich leicht.
Lorlen setzte sich an seinen Schreibtisch und blickte zu Osen auf. »Gab es irgendetwas...?«
»Ja«, antwortete Osen. »Vor einer halben Stunde habe ich einen Boten an der Tür warten sehen. Hauptmann Barran sagt, er wolle Euch etwas Interessantes zeigen, falls Ihr Zeit hättet.«
Ein weiteres Opfer? Lorlen unterdrückte ein Schaudern. »Dann sollte ich mir besser anhören, was er zu berichten hat - es sei denn, der Hohe Lord verlangt meine Aufmerksamkeit?« Er sah Akkarin an.
Zwischen Akkarins Augenbrauen hatte sich eine tiefe Falte gebildet. Er wirkt ehrlich besorgt, dachte Lorlen. Sehr besorgt.
»Nein«, sagte Akkarin. »Hauptmann Barrans Anliegen ist wichtiger als die Dinge, die ich mit dir besprechen wollte.«
Ein kurzes, verlegenes Schweigen folgte, während
Weitere Kostenlose Bücher