Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Novizin - The Magician's Guild 2: The Novice
Wie grauenhaft diese Möglichkeit auch sein mochte, sie musste sie in Erwägung ziehen. Er konnte sie zu allem zwingen, indem er ihr drohte, Rothen etwas anzutun. Ihr Magen krampfte sich vor Angst zusammen. Alles ...
Ihre Hände schmerzten. Als sie hinabblickte, öffnete sie ihre verkrampften Fäuste. Vier halbmondförmige Abdrücke zeichneten sich in den Innenflächen ihrer Hände ab. Sie rieb sie an ihrer Robe und nahm sich vor, sich die Fingernägel zu schneiden, sobald sie in ihr Zimmer zurückkehrte.
Jerrik ging ganz in der Arbeit an seinen Papieren auf. Sie beobachtete, wie seine Feder sich langsam bis zum unteren Rand der Seite vorarbeitete. Am Ende angekommen, stieß er einen Laut der Befriedigung aus und überreichte ihr das Blatt.
»Als Schützling des Hohen Lords wirst du eine Vorzugsbehandlung genießen, aber man wird von dir auch erwarten, dass du beweist, dass er eine gute Wahl getroffen hat. Zögere nicht, dir die Vorteile deiner neuen Position zunutze zu machen - du wirst es tun müssen, wenn du seinen Erwartungen gerecht werden willst.«
Sie nickte. »Vielen Dank, Rektor.«
»Du darfst dich jetzt zurückziehen.«
Sonea schluckte, dann stand sie auf, verneigte sich und ging zur Tür.
»Sonea.«
Als sie sich noch einmal umdrehte, umspielte ein seltenes Lächeln Jerriks Mundwinkel. »Ich weiß, dass du Rothen als deinen Mentor vermissen wirst«, sagte er. »Akkarin mag nicht so gesellig sein wie Rothen, aber indem er dich ausgewählt hat, trägt er sehr dazu bei, deine Situation hier zu verbessern.« Das Lächeln verschwand. »Du darfst jetzt gehen.«
Sie zwang sich zu nicken. Als sie die Tür hinter sich zuzog, sah sie, dass Jerrik sie mit nachdenklicher Miene beobachtete. Schließlich wandte sie sich um, ließ den Stundenplan in ihren Koffer gleiten und machte sich auf den Weg durch den breiten, vertrauten Flur.
In den Türen standen einige Novizen, die ihr nachsahen. Verwirrt beschleunigte sie ihre Schritte. Wie viele von ihnen wissen wohl schon Bescheid?, überlegte sie. Wahrscheinlich alle. Sie hatten immerhin einen ganzen Tag Zeit, es herauszufinden. Die Nachricht, dass der Hohe Lord endlich einen Schützling ausgewählt hatte, hatte sich in der Gilde gewiss schneller verbreitet als der Winterhusten. Ein Lehrer kam aus einem der Nebenflure. Er sah sie zweifelnd an und warf einen schnellen Blick auf ihren Ärmel. Dann zog er die Augenbrauen hoch und schüttelte kaum merklich den Kopf, als könne er nicht glauben, was er da sah.
Auch Sonea betrachtete einmal mehr das kleine goldfarbene Quadrat auf dem Ärmel ihrer Robe. Incals waren Familiensymbole, die die Mitglieder der Häuser trugen. Magier dagegen trugen sie nicht mehr, denn mit ihrem Eintritt in die Gilde sollten sie alle familiären und politischen Bande hinter sich lassen. Der Diener, der ihr die neuen Roben gebracht hatte, hatte ihr erklärt, dass der Hohe Lord zum Zeichen seiner Stellung und seiner lebenslangen Bindung das Symbol der Gilde als Incal trage. Die Gilde war seine Familie und sein Haus.
Und sie war seine Novizin. Sie drückte den Arm an den Körper, um das Incal zu verbergen, bevor sie auf die Tür ihres Klassenzimmers zuging. Kurz davor blieb sie noch einmal stehen, um Mut zu sammeln.
»Guten Morgen, Sonea.«
Lord Elben kam mit langen Schritten durch den Flur auf sie zu. Sein Mund lächelte, aber der Ausdruck seiner Augen blieb kalt. »Ich gratuliere dir zu deinem neuen Mentor«, sagte er, als er sie erreicht hatte.
Sonea verneigte sich. »Vielen Dank, Lord Elben.«
Er trat in den Klassenraum. Sonea atmete tief durch und folgte ihm.
»Nehmt bitte eure Plätze ein«, rief Elben. »Wir haben heute viel zu tun.«
»Ah!« Eine vertraute Stimme erhob sich über das Kratzen von Stuhlbeinen auf dem Boden. »Der Schützling des Hohen Lords lässt sich herab, unsere bescheidene Klasse mit seiner Anwesenheit zu ehren.«
Stille kehrte ein. Alle Gesichter wandten sich zu Sonea um. Die Ungläubigkeit in den Zügen der jungen Leute war beinahe komisch. Was für eine Ironie, dass ihre eigenen Klassenkameraden die letzten waren, die es erfuhren. Mit einer Ausnahme. Regin hockte lässig auf einem Tisch und grinste, hochzufrieden mit der Wirkung, die seine Neuigkeit auf die Klasse gehabt hatte.
»Wenn du dich jetzt bitte hinsetzen würdest, Regin«, knurrte Elben.
Regin glitt vom Tisch und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Sonea ging zu ihrem Platz hinüber und stellte ihren Bücherkoffer auf das Pult. Bei dieser Bewegung
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