Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Novizin - The Magician's Guild 2: The Novice
dafür interessiert, in welchem Teil des Raums ich sitze.«
Er musterte sie schweigend, dann nickte er. »Also gut. Du darfst sitzen, wo du willst. Geh jetzt.«
Als sie in den Flur hinaustrat, hämmerte ihr Herz. Was hatte sie getan? Novizen widersetzten sich niemals ihren Lehrern.
Dann wurde ihr klar, dass im Flur ungewöhnliche Stille herrschte. Sie stellte fest, dass Novizen aller Jahrgänge sie eindringlich musterten. Die Befriedigung über ihr Gespräch mit Lord Elben löste sich in Luft auf. Sonea schluckte und ging auf die Treppe zu.
»Das ist sie«, flüsterte eine Stimme zu ihrer Rechten.
»Gestern«, murmelte jemand. »...nicht die leiseste Vorwarnung.«
»...Hoher Lord...«
»...aber warum sie?«, höhnte jemand, eine Bemerkung, die offensichtlich dazu gedacht war, dass Sonea sie hörte. »Sie ist doch bloß ein Hüttenmädchen.«
»...nicht richtig.«
»...es hätte einer von uns...«
»...Beleidigung für die Häuser.«
Sie schnaubte leise. Wenn sie den wahren Grund gekannt hätten, warum er mich gewählt hat, dachte sie, dann wären sie nicht so ...
»Macht Platz für den Schützling des Hohen Lords!«
Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie die Stimme erkannte. Regin hatte ihr den Weg verstellt.
»Erhabene!«, rief er laut. »Dürfte ich einen winzigen, unendlich kleinen Gefallen von einer so bewunderten und einflussreichen Persönlichkeit erbitten?«
Sonea betrachtete ihn wachsam. »Was willst du, Regin?«
»Würdest du... natürlich nur, wenn es keine allzu große Beleidigung für deine hohe Position ist«, er lächelte klebrig süß, »würdest du heute Abend dann meine Schuhe flicken? Verstehst du, ich weiß, dass du überaus begabt für solch große und verdienstvolle Aufgaben bist, und, nun ja, wenn ich meine Schuhe schon reparieren lasse, sollte das durch den besten Schuhflicker in der Hüttengilde geschehen, meinst du nicht auch?«
Sonea schüttelte den Kopf. »Etwas Besseres ist dir wohl nicht eingefallen, Regin?« Sie ging um ihn herum und weiter den Flur hinunter. Schritte verfolgten sie.
»Aber Sonea..., ich meine, aber, Erhabene. Es wäre mir eine solche Ehre...«
Seine Stimme brach abrupt ab. Stirnrunzelnd widerstand sie dem Drang, sich umzudrehen.
»Sie ist die Novizin des Hohen Lords«, murmelte jemand. »Bist du verrückt geworden? Lass sie in Ruhe.«
Als Sonea Kanos Stimme erkannte, schnappte sie überrascht nach Luft. Das also hatte Jerrik gemeint, als er gesagt hatte, Akkarin habe sehr zur Verbesserung ihrer Situation beigetragen? Langsam setzte sie ihren Weg durch die Universität fort, trat durch die Eingangstüren und ging auf die Magierquartiere zu.
Dann blieb sie jäh stehen.
Wo wollte sie hin? In Rothens Wohnung? Sie versuchte, ihre Gedanken zu sammeln.
Schließlich gab ihr Hunger den Ausschlag. Sie würde in den Speisesaal gehen. Und nach den Prüfungen am Nachmittag? In die Bibliothek. Wenn sie dort blieb, bis die Bibliothek geschlossen wurde, brauchte sie erst am späten Abend in die Residenz des Hohen Lords zurückzukehren. Mit ein wenig Glück hatte Akkarin sich dann schon für die Nacht zurückgezogen, und sie konnte in ihr Zimmer gelangen, ohne ihm zu begegnen. Mit einem tiefen Atemzug wappnete sie sich gegen die unausweichlichen Blicke und das Getuschel und ging zurück in die Universität.
Lorlens Räume lagen im Erdgeschoss des Magierquartiers. Er verbrachte jedoch nur wenig Zeit dort, da er früh morgens aufstand und erst am späten Abend zurückkehrte. Inzwischen nahm er in seiner Wohnung kaum mehr wahr als das Bett und seinen Kleiderschrank.
Aber am vergangenen Tag hatte er vieles in seiner Wohnung neu entdeckt. Auf den Bücherregalen standen einige Zierstücke, von denen er ganz vergessen hatte, dass er sie besaß. Diese Erinnerungen an die Vergangenheit, an Angehörige und an frühere Leistungen erfüllten ihn mit Schmerz und Schuldgefühlen. Sie erinnerten ihn an Menschen, die er liebte und respektierte. Menschen, die er im Stich gelassen hatte.
Lorlen schloss die Augen und seufzte. Osen machte sich gewiss noch keine Sorgen. Es waren nur anderthalb Tage vergangen. Nicht lange genug, als dass sein Assistent angesichts der wachsenden Liste unerledigter Aufgaben in Panik geraten würde. Außerdem versuchte Osen seit Jahren, Lorlen zu einer Erholungspause zu überreden.
Wenn es nur eine Erholungspause wäre. Lorlen rieb sich die Augen und schlenderte in sein Schlafzimmer hinüber. Vielleicht war er jetzt müde genug, um schlafen zu
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