Die Gilde von Shandar: Die Spionin
Belohnung erwartet. Zwischen Femkes Schulterblättern machte sich plötzlich ein unangenehmes Gefühl breit, als sie sich ihrer eigenen Verletzlichkeit bewusst wurde. Es war schwierig, den Drang zu unterdrücken, mit den Schultern zu rollen und die Muskeln zu entspannen, aber sie war entschlossen, den General ihr Unbehagen nicht bemerken zu lassen.
Nachdem sie Surabars Theorie überdacht hatte, begann ihr Verstand, eine neue Hypothese aufzustellen, und das unangenehme Gefühl verschwand.
»Im Moment bin ich sicher genug«, meinte sie nachdenklich. »Wenn Shalidar sich rächen wollte, dann hätte er schnell zugeschlagen, wie bei Vammus. Solange Eure Truppen die Stadt durchkämmen, wird er sich rarmachen. Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich mich ein paar Wochen lang ruhig verhalten, bis die Suche nachgelassen hat. Dann erst würde ich zurückkommen und zuschlagen.«
General Surabar bedachte Femkes Logik einen Augenblick und zuckte dann mit den Schultern.
»Vielleicht hast du recht«, gab er zu. »Dennoch kann es nicht schaden, ein paar Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Ich möchte nicht, dass du im Palast bleibst. Geh in ein Haus in der Stadt, das du als sicher betrachtest. Erstatte mir diese Woche täglich Bericht, aber jeden Tag zu einer anderen Zeit. Ich gebe dir eine Terminliste, die unter uns bleibt. Betritt und verlass den Palast nicht durch die offensichtlichen Tore. Bewege dich in der Stadt nicht nach einem erkennbaren System, sei flexibel – ich bin sicher, du kennst dich da aus.«
»Danke, Euer Majestät. Ich werde bestimmt vorsichtig sein.«
»Ich habe vor, dich mit einer Mission zu betrauen, die dich eine Weile aus Shalidars Reichweite entfernen sollte«, fügte der General hinzu und warf unwillkürlich einen Blick zu einem sauber aufgeschichteten Stapel Papiere auf seinem Schreibtisch. »Aber das erkläre ich dir morgen nach der offiziellen Krönungszeremonie.«
»Morgen!«, rief Femke aus. »Das wird die Edelleute aber überraschen. So früh rechnen sie nicht mit einer Zeremonie.«
»Erste Kampfregel«, grinste Surabar. »Halt den Feind in Bewegung. Wenn du sie aus dem Gleichgewicht bringen kannst, sodass sie deine nächsten Schritte nicht vorausahnen können, sind sie immer in der Defensive. Morgen wird nicht nur die Zeremonie stattfinden, als General der Legionen werde ich auch dafür sorgen, dass es bei der Krönung von Militär nur so wimmelt. Die Edelleute werden keinen Schritt tun können, ohne über Soldaten zu stolpern. Ich bezweifle doch sehr, dass sie irgendeine Dummheit versuchen, während ich von Hunderten loyaler Truppen umgeben bin.«
Femke musste laut auflachen. Während der Zeremonie würde es ein paar sehr frustrierte und aufgeregte Edelleute geben. Kein Attentäter im ganzen Land wäre verrückt genug, so kurzfristig und in Anwesenheit von so vielen Soldaten einen Anschlag zu verüben. Die Taktik des Generals schien ausgezeichnet, obwohl auch er eine Weile vorsichtig sein musste – zumindest so lange, bis diejenigen Adligen, die Ärger machen wollten, identifiziert waren und man sie entweder von der Qualität seiner Regierung überzeugt oder anderweitig unter Kontrolle gebracht hatte.
»Ihr scheint hier ja alles im Griff zu haben, Euer Majestät«, meinte Femke, in deren Stimme Heiterkeit mitschwang. »Ihr solltet wissen, dass in den Straßen von Shandrim die Stimmung bezüglich Eurer Machtergreifung sehr positiv ist. Man schreibt es natürlich Euch allein zu, die Pläne von Lord Vallaine durchkreuzt zu haben. Ich bin sicher, einige der wilderen Versionen davon, wie Ihr seinen Sturz herbeigeführt habt, würden Euch amüsieren. Doch wichtiger ist, dass Ihr von der Bevölkerung im Allgemeinen nicht viel zu befürchten habt. Es wird viel spekuliert, wie Ihr über die Pläne denkt, die Stadtbevölkerung zu den Legionen heranzuziehen. Und nach unserer militärischen Niederlage in Thrandor sind die Leute natürlich neugierig zu sehen, wie Ihr mit der daraus entstandenen diplomatischen Situation fertig werdet. Schließlich waren wir die Invasoren. Man ist sich darüber im Klaren, dass wir nicht untätig bleiben und darauf hoffen können, der König von Thrandor möge unseren Einfall vergessen. Wenn nicht schnell etwas unternommen wird, wird es wohl bald unausweichlich zu Gegenschlägen kommen. Die Bürger sind eher neugierig als besorgt. Scheinbar vertrauen sie Eurer Urteilskraft bereits jetzt in gewissem Maße.«
Surabar nickte abwesend und überlegte, was ihre
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