Die Gilde von Shandar: Die Spionin
Informationen zu bedeuten hatten. Mit den Fingern einer Hand trommelte er auf dem Schreibtisch, doch er hing nicht lange seinen Gedanken nach.
»Noch etwas, was ich wissen sollte?«, fragte er.
»Nichts von größerem Interesse, Euer Majestät. Habt Ihr heute noch eine Aufgabe für mich? Gerüchte, die ich verbreiten, oder Informationen, die ich einholen soll?«
»Nichts Besonderes, Femke. Bitte hör weiterhin sorgfältig auf die laufenden Gerüchte. Im Moment glaube ich nicht, dass du zu den Spekulationen irgendetwas beitragen solltest. Nach der Krönung morgen werde ich das Volk informieren. Die Gerüchte von den Ereignissen werden sich schnell genug verbreiten, wenn die Edelleute heute Nachmittag ihre Einladungen erhalten. Sei nur vorsichtig und verhalte dich ruhig. Ich hätte gerne, dass du an der Zeremonie morgen teilnimmst. Hast du irgendetwas Passendes anzuziehen, dass du als Edelfrau durchgehen kannst?«
Femke zog leicht eine Augenbraue hoch und lächelte. »Ist der Mond silbern?«, fragte sie. »Ich werde mich anpassen, Euer Majestät. Ich hatte schon früher mit dem Adel zu tun. Ich bin gut bekannt als die Tochter eines Landadeligen aus einer der Küstenstädte. Ich kann also problemlos zugegen sein.«
»Und bist du die Tochter eines Adligen?«, fragte Surabar lächelnd. »Mittlerweile glaube ich fast, dass mich bei dir gar nichts mehr überraschen würde, Femke.«
»Ganz und gar nicht, Euer Majestät«, lachte Femke. »Aber die Rolle gefällt mir.«
»Gut.«
Der General zog ein Stück Pergament aus einer Schreibtischschublade, tauchte seine Feder ins Tintenfass und schrieb mit sauberer, kühner Handschrift eine Liste von Zeiten auf, die er Femke über den Tisch reichte. »Hier. Lern sie auswendig und vernichte das Pergament. Das erste Treffen wird morgen Abend stattfinden, damit du mich über die Ereignisse während der Zeremonie unterrichten kannst. Versuche herauszufinden, wer vom Adel meine Herrschaft unterstützen wird und wie weit.«
»Um wie viel Uhr wird die Zeremonie beginnen, Euer Majestät?«
»Die Krönung beginnt beim zweiten Schlag nach Mittag. Hier sind Einladungen für alle Adligen in der Gegend. Die Liste habe ich Vallaines Aufzeichnungen entnommen. Seine Paranoia ist für mich sehr nützlich – scheinbar ließ er die meisten von ihnen zumindest in einem gewissen Maß überwachen. Und hier ist auch eine Einladung für dich. Auf wen soll ich sie ausstellen?«
»Ich werde als Lady Alyssa kommen, Euer Majestät«, erwiderte Femke und lächelte breit vor Vorfreude.
Surabar schrieb den Namen auf die Einladung und reichte sie ihr. Dann sah er sie knicksen, sich umdrehen und das Zimmer verlassen. Lächelnd dachte er an die Aufgabe, für die er sie vorgesehen hatte. Ja, dachte er. Femke ist perfekt für diese Rolle. Sie ist zwar jünger, als mir lieb ist, aber sie ist mehr als klug.
Femke verbrachte die Nacht im Luxus. Es war sinnvoll, in der Nähe des Palastes zu bleiben, und sie wollte ihre Identität als die verwöhnte Tochter eines reichen Edelmannes wieder aufleben lassen, daher mietete sie sich im Silbernen Kelch ein, einem der teuersten Gasthäuser von Shandrim. Doch zuvor machte sie noch einen kleinen Abstecher, um sich angemessen zu kleiden und dafür zu sorgen, dass später noch etwas Gepäck ins Gasthaus gebracht wurde.
Shandrim war eine alte Stadt. Schon vor der großen Expansion des Reiches war es die Hauptstadt von Shandar gewesen. Ein paar Gebäude im Stadtzentrum waren bereits mehrere Jahrhunderte alt, doch als der neue Kaiserpalast gebaut worden war, waren große Bereiche der Altstadt abgerissen und neu aufgebaut worden. Die Städteplaner hatten die Gelegenheit genutzt, die Hauptstraßen zu verbreitern, die Gebäudedichte zu verringern und das Stadtzentrum heller zu gestalten. Im Gegensatz dazu standen die Häuser in den äußeren Stadtvierteln von Shandrim dicht gedrängt an dunklen, engen Gassen. Kriminelle Organisationen blühten und wetteiferten miteinander und machten die ärmeren Gebiete zu einem gefährlichen Terrain für unvorsichtige Leute.
Femke kannte alle Straßen und Gassen genauestens. Sie verfügte über ein weitverzweigtes Netz von Informanten und Agenten. Andere Kontaktpersonen boten ihr sichere Unterkünfte und Stauraum für ihre Ausrüstung und Verkleidungen. Im nächstgelegenen dieser Verstecke befand sich alles, was sie für ihre Rolle als Adlige benötigte.
Eine dunkle Perücke, aufwendig gelockt und exquisit aufgesteckt, ein sorgfältiges
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