Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Privaträumen, der gemeinschaftlichen Feuerstelle und seiner gelehrtenhaften Kameradschaftlichkeit einlassen. Mareka hüpfte einige Schritte, um Jerusha einzuholen.
Der andere Lehrling führte ihre kleine Prozession an Reihen um Reihen von Spinnenkäfigen vorbei. Alle Behälter waren gleich – eine hölzerne Einfriedung um einen flachen Felsen, der in der Morgensonne briet, ein toter Riberryzweig, der den Felsen abstützte und eine sorgfältig befestigte Höhle schuf, um die darin befindlichen Octolaris zu schützen, ein gewobener Boden aus feinem Riedgras, gestaltet, um die schweren seidenen Gewebe der Spinnen zu tragen.
Jerusha führte sie an einer Gruppe von acht Lehrlingen vorbei, welche die Gewebe vom Vortag einsammelten, Lehrlinge, die hart arbeiteten, weil sie heute Nachmittag nicht geprüft würden. Die Octolaris spannen jetzt fleißig – viele der Mütter trugen Eisäcke auf dem Rücken, und sie polsterten ihre Käfige instinktiv mit zusätzlicher Seide aus, schufen einen üppigen Teppich, in dem sich die frisch geschlüpften Spinnchen verbergen konnten.
Mareka wusste, dass einige wilde Octolaris ihre Gewebe in unansehnlichen Klumpen woben, Kugeln klebriger Seide an Riberryzweigen, Steinen, sogar auf dem blanken Boden befestigt zurückließen. Die Spinnen der Gilde wurden jedoch seit Jahrhunderten aufgrund ihrer Spinngewohnheiten gezüchtet – sie schufen ordentliche Seidenflächen, bedeckten die Böden ihrer hölzernen Käfige, als brauchten sie ihre Gewebe noch, um gemusterte Raupen für ihre Mahlzeiten zu fangen.
Mareka lief, ohne dass es ihr bewusst wurde, an den brütenden Weibchen und dann an den Männchen vorbei. Sie folgte Jerusha auch an den Käfigen der nicht brütenden Weibchen und an den Jährlingen vorbei, die nach dem Geschlecht unterschieden wurden, wenn sie sich im Frühjahr zum letzten Mal häuteten. Sie kam an den Spinnenkäfigen vorbei, die für die Prüfung am Nachmittag beiseite gestellt worden waren – alle Lehrlinge, die in den Rang des Gesellen aufzusteigen hofften, würden drei Octolaris von Käfig zu Käfig tragen müssen.
Drei Spinnen – einen Jährling, ein Männchen und – am gefährlichsten von allen – ein brütendes Weibchen.
Mareka erkannte, dass ihr der Kopf vor unterdrückter Aufregung dröhnte. Sie war für ihre Prüfung bereit. Sie war bereit, sich als Gesellin zu beweisen. Die Nähe zu den Spinnen verstärkte ihre Zuversicht nur noch.
Sie zwang sich, tief durchzuatmen und die acht Regeln zur Handhabung von Spinnen durchzugehen. Erstens: Binde die überhängende Seide deiner Ärmel hoch, welche die Spinnen erschrecken könnte. Zweitens: Bedecke deine Handgelenke mit Streifen Spinnenseide, wickele die Bänder darum, um dich vor Bissen von springenden Octolaris zu schützen. Drittens: Schirme das direkte Sonnenlicht ab, während du dich dem Käfig näherst, ohne blendendes Licht und mit voller Sicht auf alle Bewegungen der Spinne. Viertens: Singe die Hymne, den beruhigenden Gesang, der die meisten Octolaris in Selbstzufriedenheit einlullt. Fünftens: Verneige dich vier Mal, um der Spinne eine Chance zu geben, dich zu erkennen. Sechstens: Rüttele an dem Riberryzweig, um die Spinne aus ihrer Felsenhöhle zu treiben. Siebtens: Gelange ans Ziel, indem du mit deinen Fingern das komplizierte Muster bildest, das Dominanz bedeutet, nicht Beute. Achtens: Bei brütenden Weibchen verzehre den Nektar.
Mareka hatte bisher erst zwei Mal Octolaris-Nektar gekostet, beide Male unter der strengen Aufsicht eines Meisters der Gilde. Sie konnte sich selbst jetzt noch an den kräftigen Zug erinnern, der hinten in ihrer Kehle geprickelt hatte, süßer als die Beeren, die sie gegessen hatte. Sie konnte sich erinnern, wie ihr der Nektar jeden Atemzug, den sie tat, bewusst machte, jedes Geräusch um sie herum. Unter dem Einfluss des Nektars konnte sie die Octolaris selbst riechen und erkannte sogar mit geschlossenen Augen, wo die Spinne war. Das Wispern von Seide auf ihrer Haut war die Versuchung selbst, und sie hatte all ihre Willenskraft aufgewandt, um ihre Aufmerksamkeit auf die Octolaris vor ihr zu richten, um das brütende Weibchen mit einer sich windenden, gemusterten Raupe zu sättigen, um die Giftspinne aus ihrem Käfig zu heben.
Mareka wurde aus ihren Erinnerungen gerissen, als Jerusha vor einer Ansammlung von vierundzwanzig Spinnenkäfigen anhielt. Dies war der Bereich der Aufzucht, wo die Meister neue Linien züchteten, wo die Gilde mit größerem Reichtum und Macht
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