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Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Traditionellerweise war dazu der lange, vollständige Umhang mit dunkler Kapuze erforderlich, die über den Kopf des Trägers gezogen wurde. Die Alternative jedoch, für die sich die geheimen Verschwörer erst kürzlich entschieden hatten, war eine einfache Stoffmaske, eine lose Kapuze, die nur den Kopf bedeckte und auf die Schultern des Trägers herabhing. Die Maske war eine Widerspiegelung der Wahrheit, die alle Verschwörer kannten – die Verkleidungen waren eher symbolischer als praktischer Natur. Rani konnte trotz der schwarzen Kapuze mehr als ein Dutzend Mitglieder der Gefolgschaft erkennen.
    Dennoch, Tradition war Tradition. Mair musste Ranis Kapuze aus ihrem Versteck genommen haben, als sie die Umhänge beider Mädchen geholt hatte. Rani hielt den Atem an, während sie das Kleidungsstück anlegte. Es dauerte einen Moment, bis sie die Augenlöcher gefunden hatte, und sie bekämpfte das kurzzeitige Aufkommen von Panik, als sie nicht sehen konnte. Natürlich ging es ihr gut. Natürlich konnte sie atmen. Mair war bei ihr, und alles würde gut.
    Anscheinend ohne Ranis wirre Panik zu bemerken, trat Mair von der untersten Stufe herab. Ihr Flüstern klang rau, als sie sagte: »Der Frühlingsregen nährt die Distel und den Dorn.«
    Regen. Distel. Dorn. Die Losungen der Gefolgschaft waren stets vage bedeutungsvoll.
    Als würde der Eingang von Cor, dem Gott der Türen, kontrolliert, schwang die schwere Eiche einwärts, und Mair und Rani traten rasch über die Schwelle. Rani blinzelte im dunklen Inneren, zwang ihre Augen, sich der einzigen flackernden Kerze am Ende des kurzen Ganges anzugleichen. Mair ging erneut voraus, während die Mädchen auf die spuckende Flamme zustrebten.
    Ranis Herz tat in ihrer Brust einen Satz. Sie war während der letzten fünf Jahre gewiss schon bei einer ganzen Anzahl von Treffen der Gefolgschaft gewesen, und sie hatte auch reichlich Zeit damit verbracht, in dunklen Gängen zu lauern. Aber dieser Treffpunkt schien unheimlicher als die anderen. Er war gefährlicher, mit den in der steifen Frühjahrsbrise über dem Keller knarrenden Holzbalken. Rani hatte in der Vergangenheit nur gefürchtet, dass die Gefolgschaft entdeckt werden könnte. Nun fürchtete sie, dass sie alle sterben könnten, unter einer mit zertrümmertem Holz beladenen, eingestürzten Decke gefangen.
    Ihre morbiden Betrachtungen wurden unterbunden, als sie einen großen Raum betraten. Die beiden Mädchen kamen fast als Letzte – Dutzende von Leuten gingen bereits im Raum umher, vielleicht vierzig Verschwörer. Einige flüsterten, einige, die einander unter ihren symbolischen, schwarzen Verkleidungen erkannten, begrüßten sich verstohlen. Allgemein war recht deutlich eine erwartungsvolle Stimmung zu spüren.
    Rani nutzte die Zeit, um sich in dem Raum umzusehen und zu versuchen, Mitglieder der Gefolgschaft zu erkennen. Hal war am leichtesten zu finden – er stand für sich, am Podest am vorderen Ende des Raumes. Er musste dem Palast durch einen seiner Geheimgänge entkommen sein. Im Laufe der Jahre war er ein Experte darin geworden, den wachsamen Augen seiner Gefolgsleute zu entgehen. Er trug wie die übrigen Mitglieder der Gefolgschaft seine Kapuze, war aber allen im Raum bekannt. Die anderen Mitglieder hielten sich von ihm fern, unsicher wegen der angemessenen Etikette gegenüber einem ungenannten König. Unsicher, dachte Rani, wegen der Gerüchte, die sich unter der anonymen Gesellschaft zu verbreiten begonnen hatten, Gerüchte, die besagten, dass Hal große Hoffnungen für die Gefolgschaft hegte, oder zumindest für seinen Platz in ihren Rängen.
    Rani verdrängte diese Gedanken und weitete ihre Suche aus, schaute nach den breiten Schultern eines großen Händlers. Borin. Er hatte den Händlerrat geführt, als Ranis Gilde zerstört wurde, und hatte einem verlorenen, verwirrten Mädchen geholfen, ihren Weg aus dem Labyrinth der verschwörerischen Mächte herauszufinden. Es war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie sich nach dem Feuer Sorgen um Borins Sicherheit gemacht hatte, aber als sie ihn auf der anderen Seite des Raumes sah, war ihre Erleichterung greifbar. Sie fragte sich, ob sein kahler Kopf unter der schwarzen Kapuze noch ebenso glänzte wie vor so langer Zeit auf dem Marktplatz.
    Sie hatte jedoch keine Zeit für weitere Mutmaßungen. Eine Gestalt schlurfte zur Stirnseite des Raumes. Sie bewegte sich ruckartig, als würde sie von ihren gebeugten Schultern niedergedrückt. Die schwarze Maske der Person war zerlumpt,

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