Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Hoffnungen Hals lesen, alle seine Ängste, alle seine Erwartungen an diese Reise nach Liantine. Teheboth hielt den abgetrennten Huf in seiner linken Hand und hob die Rechte hoch über Hals Kopf. »Im Namen der Gehörnten Hirschkuh, seid in Liantine willkommen, König Halaravilli.«
»Im Namen der Gehörnten Hirschkuh«, murmelte Hal, und Teheboths raue Finger schabten über seine Stirn, malten mit dem Blut des Hirsches ein heiliges Zeichen. Hal erschauderte bei der Berührung und weihte die Jagd im Stillen Doan und all den Tausend Göttern.
6
Ohne darüber nachzudenken, hob Mareka Octolaris die Finger zu ihrem glänzenden, schwarzen Haar und schob die entwischten Strähnen hinter ihre Ohren. Sie hatte sich nie vorstellen können, wie lästig ihr Haar sein würde, wenn es aus den Lehrlingszöpfen befreit wäre. Es war nur gut, dass sie nicht bei der Spinnengilde war, so dass sie rasch ihre zwei Zöpfe flechten konnte, wenn sie sich um ihre Octolaris kümmerte, hier in König Teheboths Palast.
Nicht dass sie die Zöpfe jetzt tragen dürfte, wo sie ihres Status als Lehrling in der Spinnengilde beraubt war.
Nicht dass es ihr erlaubt wäre, die Octolaris hier in Liantine zu halten.
Selbst jetzt, fast einen Monat nachdem sie die vierundzwanzig Spinnen gestohlen hatte, schlug ihr Herz bei der Vorstellung schneller, dass sie die volle Verantwortung für diese Tiere trug. Niemand wusste, dass sie sie hier hatte – König Teheboth nicht, Jerusha nicht und gewiss nicht die Spinnengilde selbst.
Noch während Mareka den Leichnam des Sklavenmädchens an dem Tag angestarrt hatte, an dem sie Gesellin werden sollte, hatte sie gewusst, dass sie aus dem Gildehaus verbannt würde. Ihre Mutter und ihr Vater waren zu ihr gekommen, sobald sie von dem Unfall hörten. Von den Händen ihres Vaters tropfte noch Indigo. Der Pelzkragen ihre Mutter saß schief. Mareka hatte sie angefleht, sie gebeten einzugreifen, etwas zu sagen oder zu tun, um sie vor dem Zorn der Meister zu schützen.
Aber man konnte nichts tun. Die Meister hatten sich die Tatsachen angehört und verurteilten sie, noch bevor die Sonne unterging. Die giftigen Octolaris mussten getötet werden, auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden, den Jerusha und Mareka selbst errichten mussten. Die Lehrlinge sollten verbannt und in König Teheboths Hauptstadt geschickt werden. Es wurde ihnen verboten, Lehrlingszöpfe zu tragen, es wurde ihnen die Gelegenheit verwehrt, ihre Gesellinnenarmbänder anzulegen. Die unausgesprochene Bedingung ihrer Rückkehr war finanzieller Art – sie würden vielleicht wieder in Erwägung gezogen, wenn sie der Spinnengilde Reichtum brächten, genug Münzen, um ihre Meister die Schande vergessen zu lassen, dass eine Außenseiterin durch eine falsch behandelte Octolaris gestorben war. Der konkrete Preis von vierundzwanzig getöteten Octolaris.
Jerushas Familie war dort erfolgreich, wo Marekas es nicht gewesen war. Sie sprachen bei den Meistern vor, um eine lange geplante Strategie umzusetzen – eine Gesellin ins Haus Donnerspeer einheiraten zu lassen. Schulden wurden eingefordert, hastige Besprechungen abgehalten. Eine Gesellin, die schon lange als Prinz Olrics Braut vorgesehen war, wurde unsanft fortgeschickt und Jerusha der Status, der Titel, die Verantwortung gewährt.
Mareka hatte erst vor zwei Wochen an der Hochzeitszeremonie teilgenommen, hatte wie eine treue Schwester an Jerushas Seite gestanden. Sie hatte sich jedoch die ganze Zeit danach gesehnt, in ihren winzigen Raum in König Teheboths Palast zurückzukehren. Ihre Finger hatten bei der Vorstellung gezuckt, gemusterte Raupen aus ihrem tiefen Korb zu nehmen, zwischen den Schichten gelber Riberryblätter danach zu graben. Sie hatte sich so bald wie möglich von den Hochzeitsfeierlichkeiten entfernt, um ihre vierundzwanzig verborgenen Spinnen aus ihrem Raupenversteck zu füttern.
Mareka hatte die bösartigen Octolaris nicht verbrennen lassen. Sie war von Geburt an dazu erzogen worden, Spinnen zu beschützen, sie war gelehrt worden, dass die achtbeinigen Tiere das Geschenk der Gehörnten Hirschkuh an ihre Gilde war. Sie konnte die giftigen Octolaris nicht einfach verbrennen, nur weil sie einen Fehler begangen hatte. Sie konnte die Seidenproduzenten nicht verdammen, weil sie und Jerusha wegen eines Sklavenmädchens gestritten hatten.
Stattdessen hatte sie Jerushas Aufmerksamkeit abgelenkt, sich immer wieder tränenreich für ihre Rolle bei dem Unfall entschuldigt, erklärt, die Verantwortung
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