Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
dafür zu übernehmen, darauf bestanden, dass sie – Mareka – die gefährlichen Tiere dem Scheiterhaufen preisgab. Kein Meister wollte an der Feuersbrunst teilnehmen. Kein treues Mitglied der Spinnengilde konnte es ertragen, der Hinrichtung der ihrer Obhut unterstellten Tiere beizuwohnen. Mareka hatte um Mitternacht allein dagestanden und in den glühenden Kohlen gestochert, bis sie alle zu Asche wurden.
Sie hatte all ihren Einfallsreichtum heraufbeschworen, all ihre zornige Energie gebündelt und geplant, wie sie ihre Lieblinge nach Liantine bringen könnte. Es war nicht leicht gewesen, aber sie hatte es geschafft. Sie hatte sie in ihrer einzigen Reisetruhe befördert. Sie hatte sie gefüttert, ihre üppige Seide eingesammelt. Sie hatte die Octolaris gerettet, und Jerusha vermutete immer noch nichts.
Nun, als sie von der Inspektion ihres gefährlichen Geheimnisses zurückkehrte, verbarg sich Mareka hinter einem Vorhang aus Spinnenseide und erwog den besten Moment, bei dem Festessen aufzutauchen. Es hatte ihr solchen Spaß gemacht, heute Morgen mit Halaravilli ben-Jair zu spielen. Mitleiderregend, wirklich – er hatte ihr das Spiel so leicht gemacht. Hatte er nicht von den Hasenzähnen der liantinischen Prinzessin gehört? Wusste er nicht, dass Berylina schielte?
Die Begleiterinnen des Königs, Rani Händlerin und Mair, hatten Marekas Spiel natürlich nur allzu bald durchschaut. Die Entdeckung war unvermeidbar gewesen, da die Gänge von Dienern wimmelten, die Marekas wahren Status kannten, die sie als unaufmerksame Dienerin der Gesellinnen-Prinzessin Jerusha ansahen. Dennoch war Marekas Spiel es wert gewesen, und sei es auch nur, um das blonde Händlermädchen ihren Zorn versprühen zu sehen, als ihr die Erkenntnis dämmerte. Wenn diese hoffte, auf dem liantinischen Markt Erfolg zu haben, dann sollte sie besser lernen, ihre Kräfte subtiler zu beherrschen.
Mareka streckte die Hand nach unten aus, um ihr Gewand glatt zu streichen. Zu Ehren der Frühlingsjagd hatte sie ihre kunstvollste Spinnenseide angelegt, das Kleidungsstück, das sie zu Jerushas Hochzeit getragen hatte. Das Gewand wies auf den ersten Blick das Weiß frischer Frühlingsblumen auf. Wenn sich Mareka jedoch bewegte, selbst wenn sie nur einatmete, raschelte der Stoff und reflektierte andere Schattierungen – das Schimmern von Kobalt und Smaragd, Rubin und Topas. Es war die edelste Kreation, die ihre Mutter und ihr Vater je gefertigt hatten, und es tröstete sie, in der Tradition ihrer Gilde zu wandeln.
Weiterhin ehrte sie diesen Bund dadurch, dass sie ihren größten Schatz trug – einen grob geschliffenen Diamanten, den ihre Mutter ihr an dem Tag geschenkt hatte, als sie Lehrling geworden war. Der klare Stein schmiegte sich an einer einfachen Goldkette um Marekas Hals, von acht winzigen Dornen gehalten. Während Mareka über die versammelte Menschenmenge hinwegblickte, atmete sie tief ein und spürte den strahlenden Edelstein an ihrer Haut flüstern. Es war an der Zeit, sich dem Fest anzuschließen.
Sie duckte sich unter dem Spinnenseide-Vorhang hindurch und betrat die Große Halle. Der Raum hatte sich seit dem Morgen verändert. Tische und lange Bänke waren herbeigebracht worden. Und ein breites Podest war entlang einer Wand errichtet worden, das sich über die gesamte Länge des Raumes erstreckte. Mareka konnte unbeleuchtete Laternen am Rande des Podests ausmachen sowie Spiegel vor den Lampen. Die Bühne war für die Gaukler, den Höhepunkt der Abendunterhaltung, bestens vorbereitet.
Inzwischen war die Halle von König Teheboths Höflingen bevölkert. Die Männer trugen noch immer ihr Reitleder, und viele stanken nach Pferd. Mehr als ein Reiter hatte Perlen aus Geweih in seinen Bart geflochten – das Symbol der Gehörnten Hirschkuh, die an diesem Nachmittag gestorben war. Lautes Lachen erfüllte den Raum, und Pokale klangen aneinander, als Männer ihren König und ihre Göttin ehrten.
Die liantinischen Damen hatten natürlich bessere Manieren und waren weitaus nüchterner. Keine anständige Frau würde so viel trinken, dass sie öffentliche Demütigung riskierte. Herzoginnen, Gräfinnen und andere beachtenswerte Gäste standen an der Wand in kleinen Gruppen zusammen, um sich mit gedämpfter Stimme Geschichten zu erzählen. Mareka sah eine Anzahl Frauen ihr zunicken, aber keine war mutig genug, mit einem Mitglied der Spinnengilde zu sprechen, das in Schande in die liantinische Hauptstadt geschickt worden war. Mareka reckte das Kinn,
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