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Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Schauer der Erregung glitt Hals Rückgrat hinab.
    Die Gefolgschaft. Niemand sonst würde sich so ausdrücklich auf Jair berufen, alle anderen Götter außer Ait ausschließen. Niemand sonst würde eintausend Goldbarren verlangen – eintausend! –, um sich als den »Brüdern« treu ergeben zu erweisen.
    Aber warum? Was konnte die Gefolgschaft beabsichtigen? Hoben sie ein Heer aus, kauften sie Yrathi-Söldner? Prüften sie Hals Hingabe, erhöhten ihre Forderungen, weil er schon früher Schenkungen gemacht hatte? Weil er schon früher auf ein Weiterkommen gehofft hatte? War dies die nächste Prüfung, das nächste Messen seiner Ergebenheit, damit er in der Gefolgschaft zu einer Position aufsteigen könnte, die Autorität und Führung beinhaltete? Warum jetzt, wo Hals Schatzkammer fast leer war?
    Hal las die Nachricht noch drei Mal und hoffte, dieser Hauch eines Versprechens möge die verhüllte Drohung ausgleichen. Er konnte jedoch nicht sicher sein. Er konnte nicht sicher sein, dass der Brief nicht nur eine Erpressung war.
    Er könnte den Schiffskapitän rufen. Er könnte nachfragen, wer dem Mann diese Nachricht gegeben hatte, wie er zu der Schriftrolle gekommen war. Er könnte toben. Er könnte wettern. Er könnte drohen, den Seemann zu foltern. Aber die Antwort bliebe dieselbe. Irgendein Unberührbaren-Kind, irgendein Händlerbalg, irgendein anonymer Gildeangehöriger oder adliger Junge hätte die versiegelte Röhre zum Dock gebracht, und der Kapitän hätte für seine Mühe einen Beutel Gold erhalten.
    Oder er hatte ein neues Schiff bekommen, gegen die Frühjahrsstürme frisch kalfatert.
    Oder seine Familie war bedroht, seine Kinder als Geiseln gehalten worden, damit die Schriftrolle sicher abgeliefert würde.
    Nein. Das würde nur Aufmerksamkeit auf Taten ziehen, die besser im Verborgenen blieben. Vielleicht war der Kapitän selbst ein Mitglied der Gefolgschaft.
    Hal kannte seine Familiengeschichte, verstand sie noch besser als seine Neigung, die Gefolgschaft mit Gold zu hofieren. Er kannte die Legenden rund um seinen Vorfahren Jair, den Ersten Pilger, den ersten König von Morenia. Jair wurde als Unberührbaren-Kind geboren und durchwanderte alle Kasten seines Königreichs. Er entdeckte die Macht und die Ehre all der Tausend Götter, baute das erste Haus zu ihren Ehren. Er nahm den Titel Verteidiger des Glaubens an und bot eintausend Goldbarren, um seine Ergebenheit den Göttern gegenüber zu beweisen. Eintausend Goldbarren im ersten Jahr. Jair gedieh, als er seinen Glauben aufnahm. Seine Schatzkammer floss über. Und jedes Jahr, am Festtag des Ersten Gottes Ait, hatte Jair weitere eintausend Goldbarren geboten.
    Eintausend Barren… das war mehr, als Hal auch vor dem Feuer hätte erübrigen können. Selbst für die Macht, die er innerhalb der Gefolgschaft ersehnte.
    Was sollte er tun? Er könnte der Gefolgschaft sagen, dass er ihre Erpressersumme nicht bezahlen würde, dem bedürftigen Moren das Geld nicht wegnehmen könnte. Die Gefolgschaft hatte ihn immerhin für keine seiner früheren Schenkungen belohnt. Es bestand keine Gewissheit, dass sie es jetzt tun würden.
    Aber es bestand die Möglichkeit, dass sie ihn bestrafen könnten. Der Brief enthielt eine Drohung. Die Gefolgschaft könnte Gerüchte über ihre Geheimtreffen ausstreuen, Hinweise und Geflüster, genug, um Hals Oberherrschaft zu erschüttern, wenn sie auch nicht die tatsächliche Gefolgschaft offenbaren würden. Er würde dann Erklärungen abgeben, sich rechtfertigen müssen.
    Und wenn die Gefolgschaft sprach, würde Hals Volk schließen, dass er all das war, was sie befürchtet hatten. Sie würden glauben, er sei schwach, er würde manipuliert. Sie würden die Geheimnisse in Frage stellen, die er anderen erzählt hatte, die Schatten, die hinter dem Thron Morenias lauerten. Sie würden sich fragen, ob er für Liantine arbeitete, für Brianta, für andere Länder, die Morenia einzunehmen hofften.
    Wenn Hal seinen Thron behalten wollte, musste er die Gefolgschaft bezahlen, ungeachtet eines möglichen Vorankommens, das die Zahlung ihm in den schattenhaften Rängen einbringen mochte.
    Eintausend Goldbarren bis zum Festtag des Ersten Gottes Ait. Damit blieb ihm noch ein wenig Zeit – sechs Monate. Sechs Monate, um ein Vermögen aufzubringen, wo er doch schon der Kirche etwas schuldete, wo er schon verpflichtet war, Zimmerleute und Händler, Gildeleute und Schmarotzer zu bezahlen.
    Er schaute durch den Raum zu Berylina, zu dem wirren Kind, das erst

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