Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
zurückzuziehen versuchte, aber die Wächter zwangen sie vorwärts, vier von ihnen ihre Arme ergreifend, zwei sie mit ihren Kurzschwertern von hinten stoßend. Zwei der Männer bahnten sich einen Weg durch die Menge.
Der Kohlkopf war nur das erste vieler Geschosse. Berylina wurde bald mit allem möglichen Schmutz bombardiert. Es schien, als wäre jedes verfaulte Gemüse, jeder stinkende Fischkopf, jeder Nachttopf in der Stadt für ihre Schmach bewahrt worden. Die Wächter trugen rechteckige Schilde, die sie dazu benutzten, den schlimmsten Unrat von sich selbst abzuwenden, aber Berylina war allem ausgesetzt, was die Menge zum Werfen bereithielt.
Das Gewand von Ranita Glasmalerin würde verdorben, dachte sie bei sich. Das robuste Gewand hatte Berylina in ihrer Zelle gut genutzt. Es war eine Schande, es hier zu verderben, im Freien, mitten auf einem mit Pilgern angefüllten Hof.
Der Unrat war schlimm. Die Worte, welche die Menge ihr entgegenschleuderte, waren jedoch schlimmer.
»Hexe!«
»Dreckige Hure!«
»Verlogene Dirne!«
Berylina traten bei den Rufen die Tränen in die Augen. Sie war nichts von alledem. Sie hatte nie irgendjemandem Grund gegeben zu glauben, sie sei böse, sie sei weniger als tugendhaft. Ein Satz wurde am häufigsten wiederholt und wurde in der gesamten Menschenmenge zum Sprechchor: »Verbrennt die Hexe! Verbrennt die Hexe!«
Berylina rutschte auf einem Flecken Schlamm aus, und ihre Wächter konnten sie nur knapp vor einem Sturz bewahren. Die Finger der Soldaten gruben sich hart in ihre Haut, und sie stellte sich die Quetschungen vor, die sie am nächsten Morgen aufweisen würde. Als sie wieder Halt gefunden hatte, sah sie sich von Angesicht zu Angesicht einer wütenden Frau gegenüber, einer verrunzelten, alten Schankwirtin, die ihr etwas reichte.
Sie dachte einen Moment, sie erhielte ein Geschenk, eine Gabe, etwas, was sie inmitten des Entsetzens trösten sollte. Sie konnte erkennen, dass der Gegenstand in der Hand der alten Frau lang und dünn war – es schien ein Spazierstock zu sein, den Berylina benutzen könnte, um auf dem schmutzigen Platz das Gleichgewicht zu halten. Noch während die Prinzessin nach dem Gegenstand griff, erkannte sie jedoch, was es war, und zog sich angewidert zurück.
Ein Beinknochen. Ein menschlicher Beinknochen. Lang und hager und fahl. Das scheußliche Ding war eindeutig ausgegraben worden. Es gehörte eindeutig zu einem Leichnam, der nicht den reinigenden, schwärzenden Flammen übergeben wurde.
Berylina war dankbar dafür, dass sie heute Morgen nichts von ihrer Gefängnismahlzeit gegessen hatte, denn sie erkannte, dass sie sich in diesem Moment auf die Pflastersteine übergeben hätte.
Und doch wäre dieser Schmutz reiner gewesen als vieles, was auf sie geschleudert wurde. Die Wächter verfluchten die Menge jetzt, verfluchten sie gründlich, aber die zornigen Worte schürten die Wut des Mobs nur noch. Berylina sah Kinder so laut schreien, dass sich Speichel von deren Mund löste. Ein Mann hob einen erdbeschmierten Spaten hoch über den Kopf und schüttelte ihn in ihre Richtung, als wäre das Gerät selbst eine Waffe. »Verbrennt die Hexe! Verbrennt die Hexe! Verbrennt die Hexe! Verbrennt die Hexe!«
Der Mann wirkte vertraut. Berylina wusste, dass sie sein Gesicht schon früher gesehen hatte. Wo? Wo? Und dann erkannte sie es – er war einer der stämmigen Soldaten, die sie unterstützt hatten, als sie ihre Pilgerreise begann. Er hatte den sturen Priester gezwungen, ihre Pilgerrolle zu beginnen.
Die Wächter öffneten mühsam eine Tür am anderen Ende des Hofes, schoben Berylina, zogen sie, zerrten sie in ruhige Dunkelheit. Sie hörte das eisenverkleidete Holz zuschlagen, aber der Zorn der Menge ließ nicht nach. Die Menschen hämmerten gegen die Tür, stampften mit den Füßen, klatschten in die Hände.
Einer der Wächter räusperte sich und spie vor Berylinas Füße, als läutere er die üble Erfahrung aus den Tiefen seiner Lungen. Ein anderer verfluchte sie offen, und zwei wischten sich mit großem Gehabe die Hände an ihrer schmutzigen Kleidung ab. Der erste Wächter, derjenige, der in ihre Zelle gekommen war, sagte: »Hier entlang. Es wird noch schlimmer für Euch, wenn Ihr die Kurie warten lasst.«
Berylina wollte argumentieren, dass sie nicht die Absicht gehabt hatte, jemanden warten zu lassen, aber sie gab den Protest auf. Diese Männer kümmerte es nicht, ihr zuzuhören. Es kümmerte sie nicht, dem zu lauschen, was sie zu sagen hatte. Sie
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