Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
Meister.«
»Bist du besser?«
Larinda begegnete seinem Blick, und er erkannte die wilde Entschlossenheit, so grimmig wie seine eigene, als er mit dem Gefolgsmann gesprochen hatte. »Sie ist besser, wenn sie ihre unredlichen Werkzeuge und ihre fremdländische Art benutzen darf. Aber wenn Ihr ihr Gildewissen prüft, Meister, wenn Ihr prüft, was wir sie gelehrt haben, ist sie nicht besser. Sie ist stolz auf ihre Methoden, aber diese Methoden sind mangelhaft. Sie werten unsere Arbeit ab, Meister. Sie verkaufen uns an ihre Gauklertruppe, wie einen Ballen Seide oder ein Lederband.«
Da. Da hatte Parion seine Antwort.
Er würde die Verräterin ihr eigenes Ableben wirken lassen. Er würde sie ihr Diamantmesser und ihre übrigen Gauklertricks benutzen lassen. Er würde sie ihre östlichen Spielzeuge in die Werkstatt der Gilde bringen lassen. Und wenn die übrigen Meister sie zu erheben erwählten, wenn die Gefolgschaft wollte, dass sie weiterkam, dann gut. Parion würde abwarten. Er würde sie in der Zukunft vernichten, ihr Können verleumden. Er würde feststellen, dass sie der Gilde nur durch billige Imitationen wahrer Kunstfertigkeit beigetreten war, dass es ihr nur gelungen war, weil sie ihre Gauklertricks benutzen durfte.
Parion hatte schon so lange auf seine Rache gewartet. Er konnte noch einige weitere Jahre darauf verwenden, den Untergang der Verräterin zu gestalten, selbst wenn die Gefolgschaft anderes verfügte. Wenn er Geduld übte, könnte er tun, was er wollte. Er könnte die Ernte einbringen, die er mit seiner glasierten Schale und dem Becher gesät hatte, mit der zunehmenden Macht, die er bereits über den Körper der Verräterin ausübte.
Und wenn die anderen Gildemeister klug urteilten, wenn die Gefolgschaft beschloss, dass sie sofort aus der Gilde ausgeschlossen werden müsste – umso besser.
Larinda strich sich das Haar aus dem Gesicht, benutzte ihre Handprothese mit vollendeter Unbekümmertheit. »Geht es Euch gut, Meister? Schmerzt Euer Handgelenk?«
Parion blickte von dem gekalkten Tisch zu ihrem besorgten Gesicht, und einen kurzen Augenblick glaubte er, eine weiße Strähne in ihrem Haar zu sehen. Morada…, flüsterte sein Herz, aber dann trat sie einen Schritt näher, und das Licht verlagerte sich. »Es geht mir gut, Larinda Glasmalerin. Deine Worte haben mein Herz besänftigt.«
Sie hätte daraufhin noch mehr sagen können. Sie hätte noch einen Schritt näher kommen können. Sie hätte ihre kühlen Fingerspitzen auf seine Wunde legen, mit der Spinnenseide und dem Metall ihrer Handprothese darüber streichen können.
Bevor dies jedoch geschehen konnte, krachte die Tür zu dem Raum gegen die Wand. Ein Lehrling stolperte in den Raum, nach Atem ringend, während er gleichzeitig panisch zur Gebetsglocke blickte. Er stieß mit den Fingern gegen die Metallverzierungen und taumelte dann auf Parion und Larinda zu. »Kommt schnell, Gildemeister! Zum Gefängnis! Die morenianische Prinzessin wird als Hexe ausgerufen! Und Ranita Glasmalerin verteidigt sie!«
11
Berylina seufzte, im Dunst zwischen Wachsein und Schlaf gefangen. Sie hatte erneut geträumt. Sie hatte sich dazu verdammt gesehen, ihr eigenes Grab zu schaufeln, dazu verurteilt gesehen, eine Grube in der Erde auszuhöhlen, in die ihr Körper geworfen würde, um für die Ewigkeit zu verrotten. Ihre Strafe war noch grausamer gewesen, weil sie beim Graben ein reinigendes Begräbnisfeuer sehen konnte. Sie konnte die eisernen Querstreben sehen, die Kreuzspreizung, die ihren eingehüllten Körper hätte aufnehmen sollen. Sie konnte das Laudanum riechen, dass ihren Leichnam hätte reinigen sollen. Sie konnte Nim die Flammen anfachen spüren, die darauf warteten, andere aufzunehmen, konnte die Pfirsichessenz des Gottes des Windes schmecken, der darauf wartete, die umherwandernden Seelen der Reinen aufzunehmen.
Während sie sich abmühte, spürte sie, wie ihre Haut immer wieder durchbohrt wurde, vom Speer ihres Vaters durchbohrt wurde. Er prüfte ihren Glauben, prüfte ihre Ergebenheit. Er forderte sie mit Stoß um blutigen Stoß heraus.
Sie war rein, oder? Sie hatte ihr Herz und ihren Geist und ihre Seele all den Tausend Göttern geöffnet. Warum sollte ihr Vater sie verdammen? Sollte sie nicht mit einem Scheiterhaufen gesegnet werden? Warum sollte sie in ein schmutziges Grab gezwungen werden?
Berylina öffnete mühsam die Augen, erleichtert festzustellen, dass sie sich noch immer in ihrer Zelle befand. Sie hob mit zitternden
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