Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
Hütte. Zwei trugen Fackeln, flackernde Flammen, die Kellas getrocknete Kräuter zu entzünden drohten, all die verschlungenen Pflanzen anzuzünden drohten, die in den Dachsparren hingen. Zwei weitere Männer trugen Messer – lange Klingen, die das Fackellicht einfingen und wie brennende Zungen glitzerten. Der Anführer war nicht durch Feuer oder Waffe belastet. Er stand nur im Eingang und erteilte seinen Leuten mit einer einzigen kurzen Geste und einem gebellten Wort Befehle.
Sie hatte erwartet, dass die Neuankömmlinge grob wären. Sie hatte erwartet, dass sie wütend wären. Sie hatte sich für harte Worte gewappnet, während sie Ranis Willfährigkeit forderten, während sie scharfe Befehle äußerten, sich zu strecken, aufzustehen und ihnen in ihrer Scham gegenüberzutreten.
Aber sie war nicht vollständig auf den Schmerz vorbereitet.
Sie beobachtete das Messer in der Hand des Soldaten. Seine geschliffene Klinge glitt unter ihre Fesseln, sägte das Seil um ihre Knöchel durch. Der andere bewaffnete Mann trat hinter sie, und sie wurde von einer Seite zur anderen gestoßen, durch die Wucht fast aus dem Gleichgewicht gebracht, als ein Messer durch die Schlaufen um ihre Handgelenke schnitt.
Einen glorreichen Moment lang waren ihre Schultern frei. Sie tat unwillkürlich einen so tiefen Atemzug, dass sie beinahe würgen musste. Ihre Lungen erstarrten fast in der Nachtluft, erstarrten, als hätte Lene sie geküsst. Rani füllte ihre Lungen erneut und befahl ihren Fäusten, sich zu öffnen, ihren Fingern, sich zu entfalten.
Dann riss der nächststehende Soldat sie hoch. Ihre Knie gaben sofort nach, und nur der schnelle Zugriff des Mannes verhinderte, dass sie wieder zu Boden stürzte. Sie konnte seine Finger auf ihrem Arm jedoch nicht spüren, konnte den Druck nicht spüren, als er sie unentwegt fluchend stützte.
Sie konnte seine Finger nicht spüren, aber sie erkannte, dass das Blut wieder in ihre Arme, in ihre Hände, in ihre Finger lief. Zuerst wie Eis, dann wie Feuer, und dann wie eine Million stechender Wespen… Rani atmete ein, um aufzuschreien, aber ihre Lungen waren von der frostigen Luft erstickt. Sie wandte sich dem Mann zu, der sie festhielt, keuchend, würgend, verzweifelt auf irgendetwas hoffend, was ihr helfen würde zu atmen.
Sie erkannte, dass sie die Tausend anrufen sollte. Sie wusste, das einer der Götter ihr helfen und Leben in ihre Brust, in ihren Körper pumpen könnte. Sie sollte die Pilgerrolle durchgehen, die Götter in ihren Dekaden zählen, bis sie einen fand, der sie retten könnte.
Aber als sie zu ihren Gefangenenwärtern blickte, verließen jäh alle Worte ihren Geist. Namen von Göttern, Gebete um Gnade, Bitten um Beistand wurden alle aus ihren Gedanken vertrieben. Stattdessen konnte sie nur das grimmige Gesicht des Soldatenmannes vor ihr betrachten, des Soldaten, der für sie gelitten und gekämpft hatte, fast für sie gestorben wäre.
Crestman.
Sein Gesicht war verhärmt, die Haut fest über seine Wangenknochen gespannt. Sein Haar war kurz geschnitten, bereit für einen Soldatenhelm. Sein Blick zuckte in der Hütte umher, behielt Tür und Fenster, Herdfeuer und Strohsack im Blick, jeden Ort, an dem Gefahr lauern könnte.
Ihre Aufmerksamkeit galt jedoch seiner Narbe. Glatte Haut spannte sich unter seinem Auge, schimmerte im Fackellicht. Selbst jetzt, selbst wo ihre Arme brannten, ihre Beine zitterten, ihre Lungen sich pulsierend auszudehnen versuchten, konnte sie nicht umhin, sich zu fragen, wie er wohl ausgesehen hätte, wenn seine Löwentätowierung niemals entfernt worden wäre. Was wäre geschehen, wenn er in Amanthia geblieben wäre, wenn er das Soldatenleben geführt hätte, für das er aufgezogen worden war, für das er ausgebildet worden war?
Sie trat einen einzigen Schritt auf ihn zu, beobachtete, wie das Flackern des Fackellichts sein Gesicht meißelte. Sie erinnerte sich an andere Flammen, die sie mit ihm beobachtet hatte, an andere Soldaten, die seinen Befehlen gehorcht hatten. Sie hob eine Hand, als wollte sie seine Narbe berühren, als wollte sie den Jungen zurückholen, der unter der Tätowierung gelebt hatte, der sie auf die unbeholfene Art geliebt hatte, wie Jungen lieben. »Crestman«, sagte sie und legte ihre zurückkehrende Kraft in die beiden Silben, auch wenn sie wusste, dass ihre Mission hoffnungslos war.
»Ruhe!« Seine Stimme krachte gegen die Dachsparren der Hütte.
Aber sie konnte nicht schweigen. Sie konnte den Jungen nicht vergessen, der sich
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