Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
sogar ihren Weg zum Hof des Königs fanden.
Aber Kella würde keine Zeit damit verschwenden, mit einem Kind zu streiten. Sie wandte sich an Tovin. »Du handelst dir gerade Ärger ein.«
»Wir betreiben nur unser Gewerbe.«
»Du fischst in fremden Gewässern.«
»Es ist nicht so, als wenn wir hier jagen würden. Wir üben, und dann werden wir in die Stadt gehen.«
»Das wird für den König keinen Unterschied machen! Das solltest du erkennen. Der Wald ist für alle außer die Adligen verboten, besonders die Lichtung.« Ihr kam ein weiterer Gedanke, einer, der, wie sie vermutete, mehr Macht enthielte als ihre Warnungen. »Wenn die Männer des Königs Wind von deiner Truppe hier bekommen, werden sie vermutlich herkommen, um nachzusehen, wer noch im Wald ist. Und nach all den anderen suchen, die sich dort verbergen.«
Sie dachte, dass Tovin sich um sie sorgen würde, dass er zögern würde, sie in Gefahr zu bringen. Der Name, der ihm über die Lippen kam, gehörte jedoch einer anderen. »Jalina.«
Kella zwang sich zu einem ausdruckslosen Nicken. Was auch immer nötig war, um diese Eindringlinge aus ihrem Wald zu entfernen… »Jalina«, wiederholte sie.
Tovin kniff die Augen zusammen und hörte auf, die Menschen zu beobachten, die über die Lichtung hinweg Aufstellung genommen hatten. Kella konnte sechs Zelte auf dem Gras ausmachen, und es sah so aus, als stünden eine Handvoll weitere unter dem Baldachin auf der anderen Seite der Lichtung verstreut. »Dann werden wir darüber nachdenken«, sagte Tovin. »Vielleicht ziehen wir zur Hauptstraße, unmittelbar neben dem Wald.«
Er sah Kella an, als suche er ihre Zustimmung. Sie nickte einmal und legte sich die Beschränkung auf, sich nicht zu Gali umzuwenden, die andere Frau nicht in hämischer Freude anzusehen. Kella besaß Macht. Sie konnte es mit jedem neu in die Wälder gekommenen Stadtmädchen aufnehmen.
In dem Moment rief einer der Gaukler Tovin etwas zu und lockte ihn über die Gras bewachsene Lichtung zu sich, indem er eine weiße Pergamentschriftrolle schwenkte. Kella konnte gerade die Bänder erkennen, die vom Rand des Dokuments herabhingen, Königsblau im Morgenlicht. Tovin nickte und schritt über die Lichtung, und die Schauspielertruppe versammelte sich um ihn.
Kella konnte nicht hören, was sie sagten. Es war nicht für ihre Ohren bestimmt. Sie sah jedoch, wie die Schriftrolle hochgehoben wurde, und sie beobachtete, wie Tovin darüber brütete und vor sich hin nickte.
Sie wandte den Blick von der Gruppe Erwachsener ab, und ihre Aufmerksamkeit wurde augenblicklich von einer Gruppe Kinder am Rande des Waldes angezogen. Schon ein Blick bestätigte ihr, dass diese Jungen und Mädchen zu der Gauklertruppe gehörten – sie trugen dieselben bunten Farben und wirkten ebenso selbstbewusst.
Und sie spielten am Rande der Großen Lichtung Spiele. Spiele! Wo die Männer des Königs patrouillierten! Kella wollte den Kopf schütteln, wollte den Kindern etwas zurufen, erkannte aber, dass sie ignoriert werden würde.
Stattdessen trat sie zurück, um die Kinder bei ihrem Spiel zu beobachten. Ein Mädchen übernahm die Führung, ein großes Kind mit der geschmeidigen Anmut eines jungen Mädchens, das bald zur Frau würde. Kella beobachtete, wie das Geschöpf lachte und vor den anderen Kindern davonlief und dabei einen weißen Schal hinter sich herwehen ließ.
Nein, keinen Schal, wie Kella erkannte. Einen Streifen Seide. Spinnenseide, diese seltsame Ware, die Tovin nach Sarmonia gebracht hatte. Der Stoff schwebte auf der Luft, unentschlossen, ob er für immer davonfliegen oder sich auf der Erde niederlassen sollte.
Das Mädchen lachte im Lauf, ein metallischer Laut, wie im Wind klingende Glocken. Der Klang war ansteckend. Andere Kinder lachten ebenfalls und liefen auf der Großen Lichtung umher. Während Kella zusah, ließ ein Junge einen Streifen kobaltblaue Seide hinter sich herwehen, und dann lief ein Mädchen los, wobei Karmesinrot aus ihrer Hand strömte.
Bald war die Lichtung voll lachender, laufender Kinder, jedes mit einem Streifen Seide hinter sich. Kella stockte der Atem, als sie die Bilder sah, die sie woben, große, schwungvolle Kreise, enge Drehungen, unmögliche Spiralen. Die Bänder wehten hinter ihnen her, als wäre die Seide eine Art dressiertes Tier. Es kreiste in der Luft, bauschte sich hoch auf, sauste tief dahin.
Kella sah die Kraft, die Schönheit, und ein starkes Gefühl stieg in ihrem Herzen auf. Diese Kinder erschufen auf der Großen
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