Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
uns gehören.«
Ein heißer Wind peitschte über die Lichtung, trug den Geruch eines Holzfeuers heran. Hal erkannte plötzlich, dass seine gesamte Kompanie ihn ansah. Jede Stimme schwieg, jeder Mund war geöffnet.
Hal wandte sein Aufmerksamkeit verlegen wieder Davin zu. Der alte Mann sah ihn ebenfalls an, ein seltsames Schimmern war in seinen unergründlichen Augen. Hal erwartete Zorn. Er erwartete Auflehnung. Er erwartete eine mürrische Weigerung, mitzuarbeiten.
Stattdessen fand er Respekt.
Immerhin einen Herzschlag lang, und dann wurde die Empfindung von Davins üblicher Andeutung eines Lächelns ersetzt, von der sardonischen Haltung, zu der er neigte, wenn er seinen Lehnsherrn am meisten ärgern wollte. »Wie Ihr befehlt, Mylord.«
Hal nickte einmal, nahm die Zustimmung an, als wäre sie das Natürlichste von der Welt. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit Puladarati zu. »Sagt den Männern, sie sollen ihre Mahlzeit beenden. Wir werden für den Nachmittag eine Jagdgesellschaft organisieren, ihnen etwas zu tun geben.«
»Ja, Mylord.« Hal hörte die Empfindung, auch wenn er sie auf dem Gesicht des Gefolgsmannes nicht sehen konnte. Er hörte kaum unterdrücktes Lachen, und er wusste, dass Puladarati von ihm angetan war. Von ihm? Oder von Davin? Was machte das schon? Der alte Mann hatte zugestimmt, Möglichkeiten zur Wiedereroberung Morens zu ersinnen, und die Kompanie würde ihnen frisches Fleisch bringen. Niemand konnte von einem verbannten König in Gefahr mehr verlangen.
Hal wartete, bis der Mond aufgestiegen war, bevor er geduckt aus dem Zelt trat. Ein Wächter tauchte wie aus dem Nichts augenblicklich neben ihm auf und flüsterte: »Mylord?«
»Nichts, Litanalo.« Er deutete mit einem prosaischen Winken einer Hand auf den Wald. »Ich bin gleich zurück.«
»Ich komme mit Euch, Mylord.«
»Nicht nötig. Bewacht das Lager.« Hal stählte seine Stimme in ausreichendem Maße, dass der Vorschlag zum Befehl wurde. Der Soldat zögerte deutlich, aber er fügte sich.
Hal verschwand in den Wald, aber er hielt nicht inne, um seine Rehlederhose hinunterzuziehen. Stattdessen drehte er den Kopf von einer Seite zur anderen, suchte nach dem schwach erkennbaren Pfad, der von der Lichtung fortführte. Bei Tageslicht war er auf der Erde erkennbar, aber bei Nacht musste Hal sich auf die Schatten der Äste verlassen, auf die Erinnerung daran, diesen Weg in den vierzehn Tagen, seit sich seine Männer in den südlichen Wäldern verbargen, dreimal gegangen zu sein.
Dreimal… Hal hatte jene gestohlenen Momente mehr als alles geschätzt, was er zu Hause am Hof genossen hatte. Sie hatten seine Flucht und das Verstecken in den Wäldern fast wettgemacht. Sie hatten den Verrat durch Dartulamino, von seinen Truppen an seinen eigenen Stadttoren fast wiedergutgemacht. Das war die Macht eines Säuglings, die Macht eines Erben.
Da – die beiden Eichbäume, die zusammenwuchsen wie in einer Gebärmutter vereinte Zwillinge. Hal duckte sich dahinter und fand den Schatten des Weges durch die Wälder. Da war der Geruch abgestandenen Wassers von einem Teich, der über seine Ufer getreten war. Hals Füße blieben einen Moment im Schlamm stecken, aber er wollte weiterlaufen, wollte begierig, verzweifelt an sein Ziel gelangen.
Ein umgestürzter Baum lag über einem rasch dahinfließenden Strom, als läge er schon seit Jahrzehnten da, obwohl Hal wusste, dass er erst vor weniger als einem Jahr dorthin gelegt worden war. Er lief hinüber und war sich dabei bewusst, dass die Rinde vor Tau glitschig wäre. Er gelangte an mehreren Farnbüscheln und dann an den verfallenen Steinruinen der Hütte eines Wildhüters vorbei. Unter einem eingestürzten Bogen hindurch, um eine Biegung im Weg herum, zu einer anderen Stromschleife zurück, wo das Wasser noch schneller floss und sich tiefer in den Waldboden grub. Wenige Schritte voran. Noch einige wenige, und…
»Halt!« Der Befehl schallte durch die Luft, laut und furchtlos. Hal spreizte die Hände an den Seiten, widerstand dem Drang, nach seinem Schwert zu greifen, seine Finger nach dem in seinem Stiefel verborgenen Dolch auszustrecken. »Wer wagt es, den Schlaf von Lady Jalina zu stören?«
»Ihr Herr und Ehemann«, sagte Hal sarkastisch und trat einen Schritt zurück, so dass der Mond ihm besser ins Gesicht leuchten konnte.
»Si… Mylord!«
Der Wächter stotterte seine Begrüßung, und Hal konnte erkennen, dass der Mann auf ein Knie niedersinken wollte. Mit einem königlichen Winken
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