Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
im Osten geführt hatte.
Vielleicht konnte Hamid, auf seltsame Weise, all das spüren, was Rani errungen hatte, all die Entscheidungen, die sie getroffen hatte, all die Wege, die sie in ihrer Zeit bei Hofe beschriften hatte. Vielleicht wurde der sarmonianische König durch den wissenden Blick beeinflusst, den einer seiner Wahlmänner den anderen zuwarf, ein Blick, der von Macht und Geheimnissen hinter dem Thron sprach, auch wenn er die Gefolgschaft nicht verriet. Vielleicht hatte Hamid seinen eigenen geheimen Grund dafür, ein Bündnis mit Morenia zu wollen – Landwege vielleicht, oder Häfen, oder Getreidemärkte, oder eine weitere Seidenquelle. Aus welchem Grund auch immer – der Sarmonianer neigte den Kopf. »Dann sprecht. Erzählt mir, was Ihr wisst, und ich werde dessen Wert abwägen.«
»Nein, Euer Majestät.« Ranis Beharrlichkeit überraschte jeden Sarmonianer im Raum. »Sprecht Ihr zuerst. Sagt uns, dass Ihr uns unterstützen werdet. Sagt uns, dass Ihr uns zur Seite stehen werdet, wie Morenias verschworener Verbündeter.«
Nein!, wollte Hal rufen. Sie ging zu weit. Rani handelte wie ein Händler auf dem Marktplatz. Sie vergaß die Strukturen adligen Lebens. Es war nicht ratsam, Sarmonias Unterstützung zu fordern, ohne zuerst einen gewissen guten Glauben zu zeigen.
»Verbündeter!« Hamids Stimme klang zornig. Er brauchte wegen dieser Antwort nicht zu seinen Wahlmännern zu blicken. »Wie kann ich ein Bündnis eingehen, wenn ich nicht weiß, welche Themen im Spiel sind? Welchen Gefahren seid Ihr zuhause ausgesetzt, dass Ihr lieber Eure Chance ergreift, hier in meinem persönlichen Arbeitsraum einen Strauß auszufechten, als aufrecht und mit treuen Soldaten im Rücken für die Befreiung zu kämpfen?«
Rani!, wollte Hal sagen. Beuge dich dem Mann. Gib ihm etwas. Sage ihm, worum er bittet.
Tausend Fragen! Beendet diese Aufgaben. Masken zu Ende getragen.
Rani beugte sich natürlich nicht. Stattdessen trat sie einen Schritt näher an Hamid heran und wirkte nun vollends wie ein Alehändler, der auf dem Marktplatz einen Handel abschloss. »Ihr habt gewiss Gerüchte gehört, Euer Majestät. Ihr habt gehört, dass die Liantiner unseren Hafen eingenommen und die Briantaner unser Schloss erobert haben. Ihr wisst, dass der König ganz Morenias aus seinem Land verbannt wurde. Aber Ihr kennt auch noch ältere Geschichten, Euer Majestät. Ihr wisst, dass Morenia über lange Zeit mit Sarmonia befreundet war. Wir waren ein Markt für Eure Waren, wie Ihr für unsere. Wir setzten Eure Spinnenseide für die Hälfte dessen ab, was die liantinische Gilde einst vorschrieb. Erklärt Eure Unterstützung, und Morenias unvergängliche Freundschaft gehört Euch. Erklärt Eure Unterstützung, und Halaravilli ben-Jair wird Euer vertrauenswürdiger Verbündeter, Euer ewiger Freund sein, auf dem Marktplatz, auf dem Schlachtfeld, wo immer Ihr es wünscht.«
»Mein Verbündeter«, sagte Hamid, den Geschmack des Wortes eindeutig kostend. Vielleicht hatte sich Rani nicht verrechnet. Vielleicht war diese Angelegenheit wirklich so einfach wie ein Marktplatzhandel. Hal hörte die Hoffnung, die Möglichkeiten in Hamids Tonfall, und er bemühte sich um eine aufrechte Haltung, darum, sarmonianischer Investition würdig zu erscheinen.
»Ja, Euer Majestät!«, drängte Rani. »Wenn Ihr Morenia jetzt beisteht, werden wir Euch in aller Zukunft beistehen. Unsere Krieger werden Eure Krieger und unsere Soldaten Eure Soldaten sein.«
Hal sah den Moment, in dem die Wahlmänner die Bedrohung erkannten. Ihr Zorn war offensichtlich, ihre Entschlossenheit, Rani zum Schweigen zu bringen, so stark, dass er kurzzeitig um ihr Leben fürchtete. Ein Mann glitt vorwärts, legte eine Hand auf Hamids Arm und veranlasste den König, zur Beratung vorzutreten. Die Bewegung ließ die schlanke Gestalt des Sarmonianers offenbar werden, verdeutlichte, wie schmächtig Hamid war.
Die Worte des Wahlmannes waren undeutlich, ein bloßes Zischen in dem ansonsten stillen Raum, aber der Tenor war eindeutig. Hamid sollte Rani ignorieren. Er sollte ihr Angebot, ihre Argumente, ihre Beweggründe für ein Bündnis abschmettern. Er sollte ihr Angebot der Freiheit – der Unabhängigkeit von den Wahlmännern – ein für alle Mal ignorieren.
Wie um Zeit zu gewinnen, griff Hamid nach einer der Federn auf seinem Tisch und betastete sie, als wäre sie ein Talisman. Seine Finger waren schlank und drahtig und vom Umgang mit Waffen voller Schwielen. Der Wahlmann ignorierte die
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