Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
Ablenkung durch die Feder. Er trat vielmehr noch näher an seinen Herrn heran, bewegte ruckartig eine Hand, sprach noch nachdrücklicher. Die anderen beiden Wahlmänner flankierten ihren König, standen eine Spur zu nahe, als dass es angenehm gewesen wäre.
Hal erkannte Hamids Entscheidung noch vor Rani. Es überraschte ihn nicht, als Hamid den Kopf schüttelte. Er war nicht erleichtert, als die Wahlmänner zurücktraten. Er konnte nicht einmal Mitleid aufbringen, als er das zornige Aufflammen in Hamids Augen bemerkte, die rasch verborgene Wut.
Der sarmonianische König schüttelte den Kopf, und seine Worte klangen verbittert. »Wir haben Euch eine Chance gegeben, Rani Händlerin aus Morenia. Wir baten Euch, uns Euren Wert zu beweisen, eine Art Garantie für die geheimen Informationen zu geben, die Ihr uns vortrugt. Eure Worte sind nur Prahlerei, Versprechen wie das, was eine Kinderfrau ihrem Schützling zuflüstert. Wir sind hier mit unserem Hof beschäftigt, und wir haben keine Zeit mehr für Spiele. Ihr werdet uns jetzt verlassen.«
»Euer Majestät…«, begann Rani.
»Rani«, sagte Hal, denn er konnte erkennen, dass Hamid niemals nachgeben würde. Nicht mit den Wahlmännern an seiner Seite. Nicht solange seine Krone das Zünglein an der Waage bildete.
Rani hörte den Unterton in Hals Stimme, verstand deutlich, dass sie seinem Befehl nicht trotzen durfte, auch wenn sie den ausdrücklichen Befehl eines anderen Monarchen gerne verweigert hätte. Sie schluckte schwer, verbeugte sich mühsam vor dem sarmonianischen König und wich dann wieder an Hals Seite zurück.
»Wir werden hierbleiben«, sagte Hamid und deutete auf die Pergamentrollen auf dem Tisch. »Wir werden diese Berichte sichten und tun, was getan werden muss, um unser Königreich zu führen. Wir haben genug unserer Zeit mit Gauklerphantasien verschwendet.«
Hal verbeugte sich ebenfalls knapp. Er äußerte angemessene Worte, Worte, die seine Niederlage anerkannten. Er nahm Rani am Ellenbogen und führte sie auf den Eingang zu, überließ Puladarati und Farso ihrem eigenen Rückzug. Erst als sie den langen Gang entlangschritten, erkannte er, dass er keine Ahnung hatte, wohin sie sich als Nächstes wenden sollten. Er hatte keine Ahnung, wie er es bewerkstelligen könnte, Morania zu retten, sein Volk zu retten, sich selbst zu retten. Er hatte keine Ahnung, wie er die Gefolgschaft des Jair besiegen könnte.
9
Hal hörte Rani erneut seufzen und sagen: »Ich weiß nicht, wie ich ihn so falsch einschätzen konnte.«
Hal konnte nur mühsam die Verärgerung aus seiner Stimme heraushalten. »Du hast ein Leben damit verbracht, mit Händlern umzugehen, hast aber bei einem Adligen aufs falsche Pferd gesetzt. Iss deine Pastete.« Er blies auf das dampfende Stück Niere, um seine Aufforderung zu verdeutlichen, denn er wollte nichts mehr sagen, bis Rani einen Bissen in den Mund genommen hatte. »Der Mann kann nicht frei handeln. Wenn er es könnte, hätten deine Argumente ihn beeinflusst.«
»Er hat überhaupt nicht zugehört.«
Hal hob einen Tonkrug an seine Lippen und trank einen Schluck überraschend gutes Ale. »Du hättest deine Argumente ebenso gut einem Vater vortragen können, dessen Sohn gerade mit einem Messer bedroht wird. Er kann keine eigenen Entscheidungen treffen.«
»Aber ich bin eine Händlerin.« Hal wölbte bei ihrem schrilleren Tonfall eine Augenbraue, und sie zischte: »Ich hätte besser sein müssen! Ich hätte eine Möglichkeit finden müssen, einen Handel anzubieten, den er hätte akzeptieren können.«
»Den er hätte akzeptieren können? Oder den seine Wahlmänner hätten akzeptieren können?« Hal warf einen raschen Blick durch den Schankraum. Sie waren nun allein. Niemand konnte belauschen, wenn er das Wort »Wahlmänner« äußerte. Dennoch senkte er die Stimme zu einem kaum hörbaren Flüstern. »Rani, du konntest keinen Handel anbieten, der die Bedürfnisse aller zufrieden gestellt hätte… nicht seine, nicht… die der Adligen, nicht unsere eigenen, die alle zusammenhängen.«
»Ich hätte…«
»Du hättest nichts tun können! Du hättest ihn auf keine Weise auf unsere Seite ziehen können!« Er zwang sich zur Ruhe, zwang sich dazu, noch mehr Ale zu trinken. Warum war er so zornig auf Rani? Sie hatte nur versucht, ein Bündnis mit Sarmonia zu schmieden. Wie hätten sie vermuten sollen, dass die Wahlmänner Hamid an einer so kurzen Leine hielten?
Die Leine ist kurz. Menschen mit Blutsturz.
Hal verdrängte
Weitere Kostenlose Bücher