Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
geehrte Gäste«, wiederholten die Schwestern und prosteten Hal und Rani zu, bevor sie ihre Becher leerten. Hal merkte, dass er bei so viel weiblicher Aufmerksamkeit errötete. Eine Frau wirkte wie ein Zwilling der Kinderfrau, die ihn in seiner Kindheit aufgezogen hatte. Eine andere erinnerte ihn an die Lieblings-Hofdame seiner Mutter. Jener lachende Rotschopf dort ähnelte einer der eher lästigen Frauen, die seine Berater als seine Ehefrau zu erwählen versucht hatten.
Rani schien durch die weibliche Aufmerksamkeit nicht beeinträchtigt. Sie sah Hal durch den Kreis hindurch nur an. Wer A sagt, muss auch B sagen, schien ihre Miene auszudrücken. Sie erhob ihren Becher und zuckte die Achseln, bevor sie das Getränk leerte.
Hal berührte die Flüssigkeit mit der Zunge. Der Geschmack war komplexer als das Aroma. War das Getränk aus gepressten Äpfeln gemacht? Aus Birnen? Er konnte die Süße nicht einordnen. Da er merkte, dass die Frauen ihn beobachteten, kämpfte er gegen ein weiteres Erröten an und nahm einen großen Schluck. Nun, es war kein Alkohol darin, aber es war gewiss etwas an dem Zeug. Er spürte, wie es prickelnd in seinen Magen rann.
Bevor er weiter bei dem Getränk verweilen konnte, zwang er seine Aufmerksamkeit wieder auf das Treffen. Zunächst war es schwierig, der Unterhaltung zu folgen, weil er nur wenig von Kräutern und noch weniger von ihrer Anwendung wusste, um verschiedene Leiden zu behandeln. Er erkannte rasch, dass viele Substanzen viele Namen hatten. Es schien, dass die Frauen mühelos zwischen formellen und gewöhnlicheren Bezeichnungen für Pflanzen wechselten. Ein Heilmittel für Fieber konnte von einer Frau Melisias felidora, von einer anderen aber Fieberkraut genannt werden.
Nicht dass Hal Heilmittel für Fieber wirklich kümmerten. Oder eine neue Ernte Grünkraut. Oder eine Methode für das Lagern von Tinkturen in Glas, das sie so frisch hielt wie an dem Tag, an dem sie gebraut wurden.
Seine Gedanken begannen zu wandern. Er wusste, dass er dringend mit den Schwestern über seine Notlage sprechen musste, sie davon überzeugen musste, sich mit Rani und ihm zusammenzutun, gegen die Gefolgschaft zu arbeiten. Und doch merkte er, wie er ein Gähnen unterdrückte, schluckte und seine Ohren spitzte, um nicht unaufmerksam und unhöflich zu wirken. Er sollte aufpassen. Es war nicht abzusehen, was er unter den Hexen beobachten könnte.
Zwischen den Hexenweibern. Fliehe den Leibern. Tanz mit den Eselstreibern.
Er lächelte fast über die Reime. Zum ersten Mal seit Monaten war keine Düsterkeit in den Worten, keine grimmige Voraussage seines Schicksals. Die Klänge wurden eher zum spielerischen Gesang eines Kindes. Er wurde von dem leichten Rhythmus getragen. Er folgte dem Lachen ohne Angst. Nur sehr widerwillig zwang er seine Aufmerksamkeit wieder auf das Treffen zurück.
Zwei Frauen waren nun in eine hitzige Debatte über den Preis von Leinsamenöl auf dem Markt verstrickt und beharrten darauf, dass sich alle Schwestern weigern sollten, es zu kaufen, bis die Verkäufer vernünftig würden. Hal warf einen raschen Blick zu Rani. Sie verstand etwas vom Handeln. Sie verstand etwas davon, einen Marktpreis für Waren zu erzwingen. Sie hatte ihm geholfen, den Preis für seine Seide festzusetzen. Was kostet die Seide? So viel wie eine Schwertscheide? Seidenscheide. Scheidenseide.
Er lächelte bei den albernen Worten. Der Herbsttrunk der Schwestern musste die Stimmen gezähmt haben. Die Kräuterhexen konnten nicht alle schlecht sein, wollte er Rani sagen. Sie hatten seinen Wahnsinn gestoppt, seinen endlosen Singsang der Finsternis durch lustige kleine Gedichte ersetzt. Die Hexen ließen seinen Kopf singen. Kopf singt. Herz klingt. Freude schwingt. Singt der Ring? Ringt die Schwinge? Schwingt das Gesinge?
Als er Rani ansah, schüttelte sie den Kopf, und düstere Falten erschienen an ihren Mundwinkeln, zwischen ihren Augen. Sie wandte sich mit starr konzentriertem Blick wieder den Schwestern zu, und Hal richtete sich auf und zwang sich, der Frau zuzuhören, die gerade sprach.
»Dann sind wir uns einig«, sagte sie. Sie hatte ein freundliches Gesicht, dessen Falten ihr Alter auf angenehme Art spiegelten. Sie erinnerte Hal an die freundliche alte Frau, die Cook vor Jahren in der morenianischen Küche geholfen hatte. Jene Frau hatte stets eine gedrehte Apfelschale für einen ungezogenen Prinzen übrig gehabt, ein freundliches Wort für einen Jungen, der draußen auf dem Übungsplatz hätte sein
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