Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gläserne Gruft

Die gläserne Gruft

Titel: Die gläserne Gruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
unter Bekannten getrunken, gehörte bei ihm zum Feierabend wie für andere Menschen die Glotze.
    In den vergangenen Tagen war er öfter in der Kneipe gewesen als sonst. Auch schon zu früherer Stunde, denn in seiner Wohnung kam er sich eingeschlossen vor. Da gab es keinen, mit dem er reden konnte, und eine neue Beziehung hatte er auch noch nicht aufgebaut.
    Natürlich war der Mord an seinem Kollegen auch hier in der Neustadt Gesprächsthema gewesen. Aber die Menschen wussten nicht, dass er etwas gesehen hatte. Wenn sie ihn auf die Tat ansprachen, dann nur allgemein, und Müller tat dann ebenso verwundert und auch hilflos wie sie. Die Beamten der Mordkommission hatten wirklich dicht gehalten und seinen Namen nicht an die Presse weitergegeben.
    An diesem Samstag war Müller nicht über die Augustusbrücke auf die andere Seite der Elbe gegangen. Er war in seinem Wohngebiet geblieben, hatte mal wieder seinen Kühlschrank aufgefüllt und hatte sich auch vorgenommen, die Sportschau zu sehen. An diesem Tag war alles normal abgelaufen. Es waren keine Beamten erschienen, um ihn zu verhören, und er dachte daran, dass er am Montag wieder anfangen musste zu arbeiten, was ihm überhaupt nicht schmeckte. Sich noch länger Urlaub zu nehmen war nicht möglich gewesen, und das wollte er seinem Arbeitgeber auch nicht zumuten.
    Um diese Zeit war es noch nicht so voll im Lokal, und so hatte er seinen Stammplatz an der Theke einnehmen können. Er saß an der linken Seite des nach hinten offenen Karrees und hatte von seinem Platz aus einen guten Überblick.
    Der Wirt hieß Lange. Da war der Name Programm, denn er maß fast zwei Meter. Wie immer trug er eine schwarze Hose, ein weißes Hemd und eine ebenfalls schwarze Lederweste. Sein lang gezogenes Gesicht wirkte irgendwie immer traurig, aber das täuschte. Lange war ein ruhiger Mensch, der allerdings auch lachen konnte, wenn es darauf ankam. Zu dieser Zeit befand er sich allein hinter der Theke. Seine Frau und die beiden Kellnerinnen würden erst am Abend kommen, wenn der Betrieb richtig losging.
    Lange drehte die Musik leiser und kam auf Ecki zu. Er deutete auf das fast leere Pilsglas, an dessen Innenwand der Schaum in schmalen Streifen herablief.
    »Noch eins?«
    Ecki Müller schaute auf den Deckel. Er sah die drei Striche und meinte: »Eigentlich reicht’s.«
    »Das geht auf meine Rechnung.«
    »Gut.« Müller nickte. »Ich habe mich überreden lassen. Aber danach ist Schluss.«
    »Sicher.«
    Das vierte Pils schäumte in ein frisches Glas. Müller schaute sich aus leicht müde wirkenden Augen um. Auch jetzt hielten sich nur wenige Gäste im Lokal auf. An der Theke saß er allein. Gegenüber nahe der Fensterfront verteilten sich zwei Paare an zwei Tischen. Die Gäste redeten leise miteinander. Was sie sagten, verstand Müller nicht.
    Lange servierte ihm das frische Pils. »Lass es dir schmecken.«
    »Danke.«
    Der Wirt zündete sich eine Zigarette an. »Übermorgen ist es vorbei mit der schönen Zeit.«
    »Wie meinst du?«
    »Der Urlaub.«
    »Stimmt.« Müller grinste schief. »Ich werde wieder hingehen müssen.«
    Lange hob die Schultern und stieß Rauch durch seine Nase aus. »Denkst du noch oft an Sawisch?«
    »Ha, wie könnte ich den vergessen.«
    »Kopf ab!«, sagte Lange, als er die Asche abstreifte. »Dass es heute noch so etwas gibt.«
    Ecki gab dazu keinen Kommentar. Er hob sein Glas und trank es bis zur Hälfte leer. Er wollte nicht über den Fall sprechen, auch wenn er Lange gut kannte. Ihm reichte es, wenn er am Montag wieder mit der Wahrheit konfrontiert wurde. Den gleichen Dienst würde er nicht bekommen. Darauf hatte er bestanden und war bei seinem Chef auch auf Verständnis gestoßen. Er griff in seine Jackentasche und holte Kleingeld hervor. Der Fünf-Euro-Schein reichte aus.
    Er klemmte ihn unter den Bierdeckel, sodass er sichtbar blieb und rutschte vom Hocker.
    »Bis später mal.«
    »Gut.«
    Das Glas trank Ecki trotzdem noch leer, bevor er das Lokal verließ.
    In der Passage blieb er für einen Moment stehen und wunderte sich darüber, wie kühl es war. Die Kälte hatte sich von draußen her einen Weg gebahnt und ließ ihn leicht frösteln. Er war froh, wieder zurück in seine Wohnung zu kommen, dachte wieder an die Sportschau und ging die wenigen Schritte bis zur Haustür.
    Er schloss sie auf und betrat den sehr sauberen Hausflur, dessen Wände in einem leichten Blauton gestrichen worden waren. Dazu passten die Stufen aus ebenfalls blauem Stein, in dem hellere

Weitere Kostenlose Bücher