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Die gläserne Gruft

Die gläserne Gruft

Titel: Die gläserne Gruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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marmorierte Einschlüsse zu sehen waren.
    Es gab sogar einen kleinen Lift, doch bis zur ersten Etage ging er zu Fuß.
    Eigentlich lief er immer locker hoch, an diesem Tag jedoch nicht. Als er seine Beine bewegte, kam er sich fast doppelt so alt vor, und in seinem Magen breitete sich wieder das beklemmende Gefühl aus, das ihn die ganze Woche über traktiert hatte.
    Vor seiner Wohnungstür stoppte er. Es gab überhaupt keinen Grund für ihn, zu zögern oder vorsichtig zu sein, denn es passierte nichts, dieser Samstag war völlig normal, und trotzdem kam er ihm anders vor. Er musste gerade jetzt an seinen toten Kollegen Pitt Sawisch denken und schüttelte sich leicht. Das Bier hätte seinen Durst eigentlich löschen müssen. Das war nicht passiert. Im Mund hatte sich eine gewisse Trockenheit ausgebreitet, und aus ihm drang schließlich ein tiefer Atemzug.
    Dabei befand sich nichts Fremdes in seiner Nähe. Es gab also keinen Grund für ihn, sich wie ein Dieb umzuschauen, der vor einer fremden Wohnung steht und überlegt, ob er nun hineingehen soll oder nicht. Er konnte alles ruhig und normal wie immer angehen.
    Trotzdem zitterten seine Finger leicht, als er nach dem Wohnungsschlüssel griff. Die Tür war mit einem Sicherheitsschloss ausgerüstet. Einbrecher liefen auch in der Neustadt herum, und denen sollte man es so schwer wie möglich machen.
    Er öffnete die Tür und trat in die Stille seiner kleinen Wohnung. Sie war normal wie immer, doch in diesem Fall empfand der Wachmann sie schon als beklemmend. Es war nicht neu für ihn, denn dieses Gefühl kannte er seit dem Tod seines Kollegen.
    Er blieb in der winzigen Diele stehen und drückte die Tür zu. Es gab kein Fenster, aber es war auch nicht dunkel, denn das Licht fiel durch die geöffnete Wohnzimmertür. An einer Wand hatte er ein Brett befestigt. Es stellte so etwas wie eine Garderobe dar. An den Haken hingen zwei Mäntel und ein Jackett.
    Seine Jacke zog er ebenfalls aus und hängte sie weg. Der Geruch war auch nicht neu. In seiner Bude roch es immer ein wenig muffig. Er selbst merkte das kaum, andere Leute sagten ihm das.
    Die Tür zum Wohnraum drückte er ganz auf und trat über die Schwelle. Es war niemand da, der ihn erwartete, und so huschte ein erstes erleichtertes Lächeln über seine Lippen.
    Trotzdem wollte der Druck nicht weichen. Das Zimmer hatte zwei Fenster. Beide reichten bis zum Boden herab. Er konnte nach vorn auf die Straße schauen, wo die Bäume noch als kahle Gerippe erinnerten und sich Menschen kaum blicken ließen. Da ging niemand spazieren. Man blieb im Haus und fühlte sich wohler.
    Es hatte sich seit seinem Weggang nichts verändert. Alles war so geblieben, wie es war. Spuren von einem Einbruch sah er nicht und hätte eigentlich zufrieden sein können, was er aber nicht war, denn das ungute Gefühl blieb nach wie vor bestehen und belastete ihn.
    Er drehte sich vom Fenster weg.
    Noch in der Bewegung nahm er eine andere wahr. Es war kein Mensch, der ihm auffiel, sondern das Öffnen einer Tür. Eine schmale Tür, die zum Bad führte.
    Von innen wurde sie langsam aufgestoßen.
    Ecki Müller wusste Bescheid.
    Trotzdem tat er nichts. Er war einfach nicht fähig. Nur aus seiner Kehle drangen einige erstickte Laute.
    Das Grauen hatte Gestalt angenommen, denn aus dem kleinen Bad löste sich eine furchtbare Gestalt. Müller sah sie zum ersten Mal richtig und wusste, dass er den Köpfer vor sich hatte...
    ***
    In den nächsten Sekunden erlebte Ecki Müller die Zeit anders, ganz anders. Sie war vorhanden, nur nicht für ihn. Er kam sich vor wie in einem Zeitloch gefangen. Es war niemand da, der ihm half. Er war völlig auf sich allein gestellt, und die Angst schlich sich in sein Nervensystem hinein wie ein Dieb.
    Es war noch die gleiche Wohnung, in der er stand, aber sie hatte sich für ihn verändert. Die normalen Umrisse waren in den Hintergrund getreten und sahen sehr verschwommen aus. Dafür hatte sich der Besucher hervorkristallisiert, der so scharf Umrissen in seiner Wohnung stand und das Grauen abstrahlte.
    Ja, man könnte von einer fürchterlichen Gestalt sprechen. Ein schwarzer langer Mantel umschloss den Körper recht eng. Vor seinem Gesicht saß eine Maske, die hoch reichte und über den Kopf hinweg wuchs, dort allerdings ging sie in eine Mütze über. So jedenfalls sah sie beim ersten Hinsehen aus. Bis er sich genauer dafür interessierte und erkannte, dass die Maske mehr ein Helm war, an dessen Ende sich dichte dunkle Federn befanden.

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