Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Hoff
Vom Netzwerk:
Dadurch entblößte er sie auf der anderen Seite. Aber sie wagte es diesmal nicht, Einspruch dagegen zu erheben.
    Seine Hand tastete nach ihrem Arm. Mein Gott – welche Gedanken, welche Absichten mochte er haben? Sie ahnte es. Wenn nun der Doktor an seinem Empfänger saß? Ach, du lieber Gott!
    Barbara wagte nicht, sich ihrem Mann zu entziehen. Früher hätte sie es niemals geduldet, daß er um diese Zeit mit seinem Anliegen kam. Jetzt aber gab sie sich plötzlich in schrankenloser Besessenheit.
     
    Auf Veranlassung Wilburs war vom Außenministerium an den amerikanischen Gesandten in Barcelona folgendes Telegramm abgesandt worden: ›Bitte drahtet Geburtsdatum von Professor Umberto Galloni, Calle de las Cortes dreihundertzehn, möglichst mit genauester Zeitangabe.‹
    Der Gesandte legte das Telegramm verwundert vor sich auf die Schreibmappe. Was hatte das Außenministerium mit Professor Galloni zu tun, und warum wollte es dessen Geburtsdatum wissen, – dazu auch noch mit genauester Zeitangabe!?
    Das Geburtsdatum konnte man leicht beschaffen – aber die Zeitangabe – wer mochte wissen, ob die auf irgendeiner Urkunde mit vermerkt war!
    Ein Attaché begab sich zum Standesamt. Als Datum wurde der 16. Juli festgestellt. Aber ob der Professor um Mitternacht oder erst gegen Morgen oder am hellichten Tage erst auf die Welt kam, das war aus der Urkunde nicht zu ersehen. Um das festzustellen, mußte man wohl oder übel schon mit ihm selbst in Verbindung treten.
    Auch der Professor geriet in Verwunderung, als er erfahren hatte, worum es sich handelte. Das amerikanische Ministerium wollte genaueste Angaben über seine Geburtsstunde haben? Wieso? Warum? Inwiefern interessierte sich dieses Ministerium für ihn? Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten nahm man bisher kaum in seinem Heimatlande Spanien Notiz – geschweige denn in Amerika. Ja – wenn er die Mittel hätte, seine neue große Arbeit drucken und in weitesten Kreisen verbreiten zu lassen, – seine immerhin nicht uninteressanten und wichtigen Gedanken zur Atomenergie und deren Verwendung zu friedlichen Zwecken. Aber ihm fehlte das Geld dazu, ja, ihm fehlten die lumpigen fünftausend Peseten, die er für die Drucklegung seiner Arbeit benötigte. Das schwere Herzleiden seiner angebeteten Frau, seiner über alles geliebten Mercedes, hatte nicht nur seine laufenden, verhältnismäßig geringen Bezüge – es hatte auch sämtliche Rücklagen, die er aus früherer Zeit noch besaß, restlos aufgezehrt. Galloni war der Verzweiflung nahe. Gerade mit dieser Arbeit, davon war er fest überzeugt, könnte er sich einen Namen machen. Man hätte sich das Geld vielleicht borgen können; schon möglich. Aber das wollte er nicht. Schulden machen war ihm ein Greuel; dazu eignete er sich ganz und gar nicht. Lieber wartete er weiter ab. Es mußte auch wieder anders kommen.
    Der junge, sehr elegante Attaché riß ihn aus seinen Betrachtungen. Ja so! Die Geburtszeit. Er wußte sie auch nicht genau. Wenn er sich recht besann – seine Mutter hatte einmal davon gesprochen – mußte es um die Mittagsstunde gewesen sein. »Einen Augenblick, bitte! Richtig – der alte Doktor Cuertes lebt ja noch, gar nicht weit von hier übrigens. Sie könnten mal zu ihm gehen. War immer sehr genau, der Herr Doktor. Vielleicht hat er sich die Zeit damals aufgeschrieben. Oder die Amme – die wird er Ihnen vielleicht auch noch nennen können. Irgendwie werden Sie das schon herausbekommen.«
    Der Attaché empfahl sich und suchte den Doktor auf. Professor Galloni zermarterte sich inzwischen den Kopf, was diese Anfrage wohl zu bedeuten hatte. Er trat an das Lager der kranken Frau. »Du, Mercedes – das amerikanische Ministerium will mein genaues Geburtsdatum wissen. Begreifst du das? Mir geht's zu hoch.«
    In den sonst so müden Blick der Leidenden kam ein Hoffnungsschimmer. »Vielleicht ist dein Ruf doch schon bis hinübergedrungen, Umberto!« bemerkte sie, »gerade auf deinem Spezialgebiet braucht man dort Kräfte, die etwas von der Sache verstehen.«
    »Aber ich bitte dich«, erwiderte der Professor, »ich habe bis jetzt nicht die geringsten Beziehungen zu den Staaten gehabt, ja, selbst hier werde ich bisher kaum beachtet. Diese Erkundigung muß ganz andere Ursachen haben. Doch welche nur?«
    Trotz allen Grübelns vermochte er keine Lösung zu finden.
    Dr. Cuertes entdeckte in seinem alten, vergilbten Buch tatsächlich eine Notiz, aus der man den genauen Zeitpunkt der Geburt des Professors feststellen

Weitere Kostenlose Bücher