Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Hoff

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beschwindeln oder gar zu belügen, ist für Sie ausgeschlossen.
    Sollten Sie bei Ihrer Feinfühligkeit und Empfindlichkeit glauben, die Spende nicht annehmen zu dürfen, dann bitte ich Sie, den Betrag nicht als Ihnen, sondern der Wissenschaft gestiftet zu betrachten; und wenn auch das Ihr zartes Gewissen noch nicht beruhigen sollte, nehmen Sie die Summe als Schmerzensgeld oder Buße dafür entgegen, daß ich bei Ihnen Hausfriedensbruch – nämlich an Ihrer Gedankenwelt – begangen habe.
    Vielleicht sind Sie nun tatsächlich wütend auf mich, wie so unzählige Menschen, die meine Erfindung einen Teufelsspuk nennen. (Es sind allerdings vorwiegend solche, die kein reines Gewissen haben). Sie aber, Herr Professor, brauchen wirklich keine Belauschung zu scheuen. Gerade, wenn man Sie auf diese Weise so genau kennenlernte, wie man gemeinhin sonst niemanden kennenlernt, muß man sich in Hochachtung vor Ihnen verneigen. Mit welcher Kraft und Zähigkeit haben Sie Ihre wissenschaftlichen Arbeiten durchgeführt – trotz aller Widerwärtigkeiten von außen her. Mit welcher Engelsgeduld haben Sie sich nebenbei noch der Pflege Ihrer schwer leidenden Gattin gewidmet! Was wollen die wenigen, winzigen, schwachen Gedanken dagegen bedeuten, die jedem, die auch dem besten Menschen hie und da durch den Kopf jagen –?!
    Herr Professor – ich benutze diese Gelegenheit, um ein neues, interessantes Experiment zu machen. Heute ist der 8. September. Am 12. spätestens werden diese Zeilen in Ihren Händen sein. Am 13. abends, nach Ihrer Zeitrechnung um 18 Uhr, werde ich in Ihre Gedanken geschaltet sein. Dann denken Sie bitte die Antwort auf diesen Brief einmal durch und ich werde hier im gleichen Augenblick wissen, wie Sie zu meinen Zeilen stehen. Ich bin sehr gespannt darauf, was ich alsdann vernehmen werde.
    Für heute bleibe ich mit dem Ausdruck meiner aufrichtigen Verehrung
    Ihr sehr ergebener Wilbur Taft.‹

    Gloria überließ Bob das Steuer, als sie, von Wilbur kommend, nach Hause fuhr. In ihrem augenblicklichen Zustand wäre sie nicht fähig gewesen, den Wagen ruhig und sicher durch den Verkehr zu lenken. Es hätte bestimmt ein Unglück gegeben.
    Wie gebrochen hockte sie neben ihrem schwarzen Chauffeur. Bob warf ihr von Zeit zu Zeit einen schrägen, fragenden Blick zu. Irgend etwas stimmte mit seiner Herrin nicht. Obwohl er kaum ahnte, worum es sich handelte, fühlte er doch mit ihr, – ja, sie tat ihm leid.
    »Hat das Geschäft nicht geklappt, Miß?« wagte er schließlich ein teilnehmendes Wort an sie zu richten.
    Gloria zuckte zusammen. Geschäft! Pah! Schönes Geschäft! – Sollte Bob tatsächlich keine Ahnung haben?
    Sie schielte. Er sah geradeaus. Sie gab keine Antwort. Sie war jetzt zum Sprechen nicht aufgelegt. Aber die schlimmsten Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf, – Gedanken, die sie nicht mehr loswerden konnte. Wie eine Zwangsvorstellung war das für sie. Wilbur hatte ihr bestimmt nicht die Wahrheit gesagt; er hatte sie doch belauscht, ja, sie war überzeugt davon. Möglicherweise horchte er gerade jetzt wieder ihre Gedanken ab. Keinen Augenblick war sie sicher davor. Und er hatte von Liebe gesprochen! Auch sie hatte ihn zu lieben geglaubt. Hatte. Es war vorbei. Augenblicklich empfand sie nichts mehr für ihn. Eher gegen ihn. Es war, als müßte sie nackt vor ihm dastehen. Hämisch beschnüffelte er ihre heiligsten Regungen, leuchtete in den geheimsten Winkel ihrer Seele hinein. Das war unerträglich. Ihr Schamgefühl lehnte sich trotzig dagegen auf. Wenn er jetzt vor ihr stünde, würde sie ihm ins Gesicht schlagen. Ja. Das sollte er ruhig vernehmen, wenn er jetzt wieder an ihren Gedanken hing. War das nicht eine schmutzige Sache – diese Ablauscherei? Sie empfand es nicht anders, jetzt, da es sie selber anging, da sie sich selber entblößt und erniedrigt fühlte.
    Konnte man dem denn wirklich gar nicht entgehen? Sollte nicht ein Gegenmittel entdeckt werden können? Im Kriege war es doch auch so gewesen: ein neues Mittel – ein neues Gegenmittel – und immer so fort. Hier jedenfalls mußte etwas erfunden werden, eine Abschirmung sozusagen, eine Art Tarnkappe, die man mit Taftschen Geräten nicht mehr durchdringen konnte.
    Nein, vorläufig nicht zur Tante zurückkehren. Man würde ausgefragt werden; und man würde nicht antworten können. Gloria mußte Zerstreuung, Betäubung haben. Sie mußte von ihren marternden Gedanken abgelenkt werden.
    Vor einem eleganten Tanzlokal ließ sie halten. Bob sollte zum