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Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Hoff
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vielleicht jetzt noch tat – oder jetzt gerade. Hatte sie überhaupt schon Gewißheit darüber, daß er sie liebte? Sie hatte es angenommen, sie hatte es immer wieder deutlich zu fühlen geglaubt. Aber er hatte niemals auch nur mit einem einzigen Wort etwas angedeutet. Wenn sie ihn jetzt belauschte, würde sie es genau erfahren; dann würden all seine Wünsche und Hoffnungen ihr offenbar werden, ja, sie würde auch den Grad seiner Liebe erkennen, ob er tatsächlich ganz von ihr ausgefüllt war, ob es für ihn eine andere Frau nicht mehr gab.
    Wieso aber beschäftigte sie sich immer wieder mit solchen Gedanken? War sie nicht gegen ihn aufgebracht, – hatte sie ihm nicht schon abgeschworen? War sie sich nicht klar darüber geworden, daß sie ihm gegenüber jetzt eher Haß, als Liebe empfand, – nur, weil sie ihn der Indiskretion fähig hielt, sie zu belauschen? Und wenn sie ihn nun belauschte – war das dann nicht die gleiche Indiskretion?
    Gloria dachte weiter nach. Sie mußte doch noch mehr für ihn übrig haben, als sie sich selber eingestand. Sonst würde sie sich nicht immer wieder mit ihm beschäftigen müssen.
    Gewißheit! Gewißheit! Sie konnte, wenn sie nur wollte, mit Leichtigkeit zu dieser Gewißheit kommen. Aber sie nahm sich zusammen und belauschte ihn nicht.
     
    George hatte die Formel noch nicht wiedergefunden. Es wurde weiter experimentiert. Wenn er nüchtern war, beteiligte er sich mit großem Eifer an den Versuchen. Sie fanden in einem Anbau des Schlosses statt.
    Follow wußte genau, wann, wo und wie lange gearbeitet wurde. Er hatte darauf seinen Plan gebaut. Gegen Mitternacht kehrte George gewöhnlich in seine Gemächer zurück, wo er dann noch zu zechen pflegte, bevor er sich zur Ruhe begab. Follow konnte nicht ahnen, daß gerade an dem entscheidenden Tage alles ganz anders kam.
    Kurz, bevor man an diesem Abend die Arbeit vollenden wollte, hatte einer der Chemotechniker einen Jubelruf ausgestoßen. Das, worauf man nun schon lange gewartet hatte, war ihm gelungen, – die Herstellung der von George angedeuteten Legierung war ihm geglückt. Er hatte die Kapsel eingesetzt, hatte, wie schon einige Hundert Male bei anderen Proben, die Kontakte an seine Schläfen gepreßt – und war dabei plötzlich von der Gedankenflut eines anderen Menschen gefesselt worden. Es war ein Londoner Hafenarbeiter, der sich in einer Kneipe mit einem Kameraden herumstritt.
    George kam herbeigelaufen, erkannte sofort, daß die Lösung gelungen war und drückte dem Chemotechniker gratulierend die Hand. Sofort begann man noch weitere Fäden aus dieser Legierung zu ziehen – Fäden, die so dünn waren, daß man sie nicht mit bloßem Auge erkennen konnte. George hatte den Ehrgeiz, noch mehrere von den Geräten, die bis auf die Kapseln schon fertig waren, betriebsfertig zu machen. Alle Müdigkeit war wie weggeblasen. Man stellte neue Versuche an – und jeder Versuch gelang.
    Die Neuheit der Sache versetzte sämtliche Mitarbeiter in die höchste Erregung. Alle waren wie besessen darauf, in die Welt zu lauschen und mit den Gedanken anderer Leute Kontakt zu gewinnen.
    George ließ die Leute gewähren. Sie hatten sich als Belohnung für ihre Arbeit dieses Erlebnis redlich verdient. Er selber stellte sich auf seinen Bruder und auf Gloria ein.
    Sein Bruder war mit der Ausarbeitung einer Schwingungstabelle beschäftigt. Er verlor sich mit keinem Gedanken an andere Dinge. Gloria las ihrer Tante ein Märchen von Oscar Wilde vor. Da George nicht dazu aufgelegt war, Märchen mit anzuhören, schaltete er wieder ab.
    Ein Blick auf die Uhr überzeugte ihn, daß es bereits kurz vor drei war. So lange, wie heute, ist noch niemals gearbeitet worden. Im Hinblick auf den glücklichen Abschluß war das jedoch zu verstehen.
    Die anderen Mitarbeiter lauschten weiter. Mochten sie auch den Rest der Nacht noch dazu benutzen, sich mit dem Gerät vertraut zu machen. Er selbst machte Schluß für heute. Als Reaktion auf die angestrengte Tätigkeit der letzten Tage überkam ihn eine unüberwindliche Müdigkeit.
    Er verabschiedete sich und suchte seine Privaträume auf.
    Gerade, als er vor seinem Schlafzimmer ankam, erfolgte eine furchtbare Detonation. Er wurde rückwärts gegen die Wand geschleudert. Mauern stürzten zusammen, Rauch quoll empor. Ein Abgrund öffnete sich. Im Augenblick war der Schloßteil, den George bewohnte, in eine gewaltige Staubwolke eingehüllt. Aus dem Kellergeschoß zuckten Flammen auf, fraßen sich an Balken und Dielen fest,

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