Die gläserne Welt
besondere Ansprüche stellte, wählte das ›unsichtbare‹ hauchdünne Netz.
Zahlreiche Menschen, die bisher ohne Kopfbedeckung zu gehen pflegten, liefen auf einmal wieder mit Hüten herum, in die das Abwehrmittel eingearbeitet worden war. Wer bei Bekannten das Netz bemerkte, schwieg in der Regel diskret, weil er es selber besaß.
Wilbur zuckte unwillkürlich zusammen, als er von dieser ›Gegenerfindung‹ erfuhr. Sollte es möglich sein –?
Die ›Überwachungsstelle‹ klingelte bereits bei ihm an. Gleichfalls das Ministerium. Man wollte wissen, was er von dieser Angelegenheit halte. Er wurde von allen Seiten bedrängt. Aber er konnte selbst noch nichts sagen. Er wußte nichts; es war ihm eben erst zu Ohren gekommen.
Wirre Gedanken jagten ihm durch den Kopf. Teufel ja, das wäre eine schöne Bescherung, wenn man ihm so die Erfindung zunichte machte! Aller Aufwand, den man damit schon getrieben hatte, wäre umsonst gewesen. Fast nutzlos hätte man Unsummen investiert. Alles kehrte in die alten Bahnen zurück. Man würde keinen Verbrecher mehr hindern können, seine Tat zu begehen – keine Untat würde mehr auf die neue Weise aufgeklärt werden. Nur in beschränktem Maße, bei Vernehmungen vor Gericht, wenn man den Leuten die ›Tarnkappe‹ abnahm, mochte seine Erfindung noch von Bedeutung sein. Kein Diplomat würde mehr belauscht werden können. Schließlich würde man ihn, Wilbur Taft, gar mit seiner Erfindung noch lächerlich machen. Er war besiegt, konnte abtreten, – oh, er sah schon die schlimmsten Folgen voraus.
Dann aber riß er sich doch wieder zusammen. Nur ruhig Blut! – sagte er zu sich selbst – erst muß die Angelegenheit einmal nachgeprüft werden. Erst muß ich wissen, was es mit diesem Tarnungsnetz auf sich hat.
Rasch wußte er sich eins zu beschaffen. Es wurde einem seiner Mitarbeiter über das Haar gezogen. Wilbur legte die Kontakte an, um sich auf den Mann einzustellen. Selten hatte der junge Erfinder eine solche Spannung empfunden wie in diesem Moment. Seine Hände zitterten merklich, als er nach der Einstellungsscheibe griff.
Ebenso gespannt saß die Versuchsperson vor ihm in einer anderen Ecke des Raumes. ›Ich bin ja neugierig‹, rollten die Gedanken unter dem Schutznetz ab, ›ob der Chef mir jetzt etwas ablauschen wird. – Aber was ist das? Er lächelt!? Er nickt mir zu? Heben Sie Ihren Arm, Mister Taft – geben Sie mir dadurch ein Zeichen, daß Sie meine Gedanken verstehen. – Goddam – er tut es! Er hebt die Hand – er hat verstanden, er hat mich trotz des Netzes belauscht!‹
Wilbur ist aufgesprungen. Er legt die Kontakte ab. Ihm ist, als sei ihm eine Zentnerlast von der Seele genommen. Man hört wie er aufatmet, sieht, wie sich sein Brustkorb hebt.
Freudig streckt er dem Mitarbeiter die Hand entgegen. »Ich habe alles vernommen, genau wie zuvor. Das Netz schränkt die Wirkung nicht im geringsten ein. Trotzdem wollen wir es bei einem anderen Herrn und mit einem zweiten Netz noch einmal versuchen.«
Dieser neue Versuch hatte das gleiche Ergebnis. Wilbur nahm eines der Netze kopfschüttelnd in die Hand. »Welch ein Schwindel!« murmelte er. Er betrachtete das Gewebe von allen Seiten. Er roch daran. Ein schwacher Teergeruch war nicht zu verkennen. Nun gab er das Netz seinem Mitarbeiter. »Im Laboratorium soll sofort untersucht werden, womit dies Gewebe imprägniert worden ist!«
Schon eine halbe Stunde später hatte man festgestellt, daß die ›Tarnkappe‹ lediglich mit Teer durchtränkt worden war.
Jetzt erst gab Wilbur der Überwachungsstelle Bescheid. Mit lachender Stimme erklärte er, daß man völlig beruhigt sein dürfe. Mehrere Versuche hätten ergeben, daß Trufoods Abschirmnetz weiter nichts sei als ein Riesenbetrug. Es übe nicht die geringste Wirkung aus. Jetzt heiße es nur noch, des Schwindlers so rasch wie möglich habhaft zu werden.
Das gleiche teilte Wilbur dem Ministerium und allen anderen Stellen mit, die bei ihm bereits angefragt hatten. Dann setzte er sich mit Gruth in Verbindung. »Inspektor, – die Netzgeschichte ist, wie Sie bereits vermutet hatten, ein Riesenschwindel. Sie müssen der Angelegenheit sofort auf den Grund gehen. Trufood muß als Betrüger entlarvt und verhaftet werden.«
»Ja ja«, erwiderte Gruth gelassen, »wenn der Kerl noch zu fassen ist. Ich werde sofort die nötigen Schritte tun.«
Als die Beamten, Gruth an der Spitze, Trufoods Büro betraten, fanden sie lediglich einen kleinen, buckligen Herrn vor, der sie
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