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Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Hoff
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erschienen.
    Immer wieder trat die Versuchung an sie heran, ihn doch einmal zu belauschen. Mein Gott – es müßte ein Zufall sein, wenn sie gerade dabei kontrolliert werden sollte! Unmöglich konnte immerfort jemand an ihren Gedanken hängen. Und was riskierte sie schon!
    Als ihre Neugierde unwiderstehlich wurde, schaltete sie sich kurzerhand auf ihn ein. Aber er dachte mit keiner Silbe an sie. Jedenfalls nicht zu der Zeit, als sie sich mit ihm beschäftigte. Seine Zeit war mit Berechnungen ausgefüllt, mit Verhandlungen, mit dem Studium wissenschaftlicher Bücher. Sein rastloser Tätigkeitsdrang ließ ihn niemals zur Ruhe kommen.
    Gloria wiederholte gelegentlich diese Belauschungen, immer mit dem gleichen Erfolg. Sie selbst schien aus seinem Denken ausgeschaltet zu sein. Das verbitterte sie.
    Anders war es, als sie sich auch einmal auf George einstellte. Zufällig ertappte sie ihn dabei, wie er sich gerade mit ihr beschäftigte. Sie erschrak. Welche Fülle leidenschaftlicher Gefühle strömte ihr hier entgegen! Solcher Gefühle hätte sie ihn kaum für fähig gehalten. Sein ganzes Wesen mußte von seiner Liebe zu ihr durchdrungen sein. Wenn sie einstmals geglaubt hatte, daß seine Leidenschaft zu ihr nur ein Strohfeuer sei, so wurde sie jetzt eines Besseren belehrt. Sie war für ihn eine Lebensbedingung, sein ganzes Wesen war nur von ihr erfüllt. Alle seine Gedanken und Taten bezogen sich nur auf sie. Es gab für sie keinen Zweifel mehr, daß seine Gefühle aufrichtig waren.
    Es schmeichelte ihrem Selbstbewußtsein, mit solcher Innigkeit von einem Menschen umworben zu werden – von einem Menschen, den sie doch wohl falsch eingeschätzt hatte. Plötzlich verstand sie, wie er sich hatte betäuben müssen, als er die Meinung gewann, sein Bruder werde ihm vorgezogen. Er sah damit seine schönsten Hoffnungen schwinden; alles war in ihm zusammengebrochen. Um an diese ›Niederlage‹ nicht denken zu müssen, hatte er sich in den Strudel des Lebens gestürzt, soweit, daß er dabei auf Irrwege geraten war.
    Dinge, die Gloria einst dunkel und unbegreiflich gewesen, wurden ihr klar. Sie mußte in vielem ihr Urteil ändern.
    Ja – George lag, an sein Bett gefesselt, sinnend da und träumte von ihr. Er gab den schönsten Vorstellungen Raum. Auf Händen würde er sie tragen, zum Paradies würde er ihr das Leben gestalten. Alles, alles, selbst seine Erfindung würde er hingeben, um sie glücklich zu machen.
    Trotzdem empfand sie keine Liebe zu ihm. Aber eine lebhafte Anteilnahme. Sie grollte ihm nicht mehr. Doch was er erhoffte, das würde sie ihm niemals werden können. Sie ahnte nicht, daß in diesen Gedanken sein Schicksal beschlossen lag.
    Eines Tages kam sie mit dem Leiter der New Yorker Überwachungsstelle zusammen. Es war Inspektor Gruth. Er drohte ihr mit dem Finger. Sie wußte, was das zu bedeuten hatte; aber er lächelte sie nur verständnisvoll an. Es war ihm gemeldet worden, daß sie bisweilen auf verbotenen Wegen wandelte. Trotzdem war er so einsichtig, sie schweigend gewähren zu lassen.
    Gloria schränkte daraufhin aber doch ihre heimlichen Ablauschereien wesentlich ein. Die berufliche Tätigkeit bot ihr ja auch schon Interessantes genug. Neue Aus- und Einblicke in das menschliche Leben öffneten sich vor ihr. Sie erkannte die Widersprüche zwischen Sein und Schein. Fast alle Menschen gaben sich anders, als sie in Wirklichkeit waren. Den beschränkten Grenzen des Daseins stand die schrankenlose Gedankenwelt gegenüber – und tatsächlich wurden Worte häufig nur dazu benutzt, um die Gedanken zu verbergen. Was für abgründige Gedanken waren das oft! Wünsche und Vorstellungen, von denen man sich, ohne sie selber belauscht zu haben, keinen Begriff machen konnte. Vernichtungsgedanken, religiöse Spekulationen, Perversionen und Angstpsychosen.
    Scharenweise kamen Ratsuchende in das Auskunftsbüro. Ein Bankdirektor: »Ich traue meinem Kassierer nicht!«
    Der Kassierer wurde belauscht und erwies sich als einwandfrei.
    In einem anderen Falle kam man einem schweren Sabotageakt auf die Spur. Am häufigsten aber traten die Fälle ein, daß Eheleute über einander Bescheid wissen wollten, wenn sie den Verdacht hatten, daß sie betrogen wurden. Hier führten Belauschungen entweder zu einer sofortigen Scheidung – oder zu einer Klärung, die beide Partner nun wieder mehr als jemals zusammenfügte.
    Wo es sich offenbar nur um sinnlose Eifersucht handelte, oder um Mißverständnisse, wandte Arland ein neues Verfahren an:

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