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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Platz gegangen war. Sie streckte die Hand aus. «Signorina Manin? Ich bin Vittoria Minotto.» Ihre Ausstrahlung war so beeindruckend, dass Leonora ihr die Hand schüttelte und wortlos zur Seite trat, um sie einzulassen. Offenbar sah man ihr ihre Verwirrung an, denn die Frau setzte erklärend hinzu: «Vom .» Schwungvoll, als sei es eine FBI-Marke, präsentierte sie ihren Presseausweis.
    Leonora riss sich zusammen und bot ihr einen Stuhl an, doch die Reporterin ignorierte ihre Worte, stakste durch die ganze Wohnung, nahm die Möbel in Augenschein, hob einzelne Gegenstände hoch und stellte sie wieder hin. Mit einer geübten Bewegung schob sie schließlich die Sonnenbrille in ihr schwarzes Haar und blickte sich noch einmal um, als würde sie sich im Geiste schon Notizen machen. «Bella.» In diesem einen Wort, mit dem sie die Einrichtung bedachte, lag Lob und vernichtendes Urteil zugleich. «Für dich mag es ja gut genug sein», schien es zu bedeuten. «Mein Geschmack ist es allerdings nicht.» Wenn man dicht neben ihr stand, waren ihr Selbstbewusstsem und ihre sinnliche Ausstrahlung geradezu mit Händen zu greifen. Angesichts ihrer durchgestylten Eleganz kam sich Leonora fast schon schlampig vor. Ihr Kleid und die Lockenfrisur, die ihr morgens noch so gut gefallen hatten, erschienen ihr nun kindisch und stümperhaft.
    Ich benehme mich wie ein eingeschüchtertes Schulmädchen. Wenn sie schon auf mich eine solche Wirkung hat, was mag sie dann erst bei Männern anrichten?
    Mit spürbarer Anstrengung bemühte sich Leonora, ihre Fassung wiederzugewinnen.
    «Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Einen Kaffee?»
    Vittoria bedachte Leonora mit einem strahlenden, charmanten Lächeln. «Danke, gern.»
    Ungefragt setzte sich die Reporterin an den Tisch der Wohnküche und ließ ihren Aktenkoffer mit einem Klick aufschnappen. Es klang, als spannte sie den Hahn eines Revolvers. Sie nahm ein harmlos aussehendes Notizbuch und einen Stift heraus und stellte dann ein kleines silberfarbenes Kästchen auf den Tisch - ein Tonbandgerät. Zuletzt holte Vittoria noch    ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche und steckte sich eine an. Sowohl durch die Marke als auch durch ihre Gesten wurde Leonora schmerzlich an Alessandro erinnert. Als Vittoria den Rauch fortwedelte, kräuselte er sich um ihre blutroten Fingernägel. «Es stört Sie doch nicht?»
    Leonora wusste nicht, ob damit das Tonband oder die Zigarette gemeint war. Eigentlich störte sie beides, doch sie schüttelte nur den Kopf.
    Klick. Mit dem Daumennagel drückte Vittoria auf einen Knopf, und die kleinen Spulen begannen sich zu drehen. Leonora holte den Kaffee und setzte sich dann mit verkrampfter Körperhaltung der Reporterin gegenüber. Das Gerät surrte wie der Zeitmesser bei einem Schachturnier.
    «Können Sie mir etwas über sich erzählen?»
    «Was möchten Sie denn wissen?»
    «Vielleicht ein paar Hintergrundinformationen für unsere Leser.»
    «Soll ich in England oder hier anfangen? Es tut mir leid ... Ich habe so etwas noch nie gemacht. Vielleicht... Könnten Sie nicht... Ich glaube, es wäre leichter, wenn Sie mir Fragen stellten.»
    Vittoria nippte an ihrem Kaffee. «Gut. Weshalb sind Sie nach Venedig gekommen?»
    «Nun, ich bin hier geboren und in England aufgewachsen. Mein Vater stammte aus Venedig. Während meiner künstlerischen Ausbildung habe ich mich immer besonders für die Arbeit mit Glas interessiert. Und dann schenkte meine Mutter mir das Glasherz, das mein Vorfahr Corradino angefertigt hat, und erzählte mir von ihm.»
    Mit leicht zusammengekniffenen Augen streckte Vittoria die Hand aus und befühlte den Anhänger an Leonoras Hals. Ihre Finger waren kalt und rochen nach Nikotin. «Bella», sagte sie in dem gleichen Ton wie zuvor. Sie zog ihre Hand wieder weg und Leonora sprach weiter. «Das fand ich faszinierend. Ich beschloss also, hierher zu kommen und auszuprobieren, ob ich nicht das Familiengewerbe fortführen kann.»
    Familiengewerbe. Das war gut. Chiara und Semi werden mit mir zufrieden sein. Und jetzt lass uns bitte mit England aufhören. Ich will nicht über Stephen reden.
    «Ganz einfach so? War es nicht schwer, Familie und Freunde zu verlassen? Einen Freund? Oder Ehemann?»
    Verdammt.
    «Ich ... war verheiratet. Er ... Ich meine, wir haben uns scheiden lassen.»
    Ein Zug an der Zigarette. Ein Nicken. «Ach ja, ich verstehe.»
    Leonora kam es so vor, als habe Vittoria ihre ganze traurige Geschichte schon gekannt.
    Diese Frau ist

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