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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Hingabe und Konzentration, mit der sich Alessandro seinem Gericht widmete. Mit gesenktem Kopf löffelte er die Speisen in sich hinein. Leonora betrachtete ihn mit nachsichtiger Belustigung, bis er ihren Blick bemerkte.
    «Was ist?»
    «Du isst mit einem solchen ... nein, nicht Appetit, auch nicht Hunger oder Gier. Eigentlich von allem ein bisschen.»
    «Gusto?»
    «Ja, genau! Das trifft es. Ich glaube, wir haben kein passendes englisches Wort dafür.»
    «Die Engländer brauchen keins», sagte er, und der Schalk blitzte aus seinen Augen. Sie lächelte.
    Genau das war es.
    Gusto. Die ganze Nacht lang ging ihr das Wort nicht mehr aus dem Sinn.
    Gusto, dachte sie, als er sie auf dem Ponte San Barnaba leidenschaftlich küsste.
    Gusto, dachte sie, als sie auf Leonoras Terrasse saßen, die Füße über dem Kanal tief unter ihnen baumeln ließen und Valpolicella aus der Flasche tranken.
    Gusto, dachte sie, als er sie bei der Hand nahm und sie sich widerstandslos zum Bett führen ließ.
    Gusto, dachte sie, als er sie in der Dunkelheit nahm.
    Leonora träumte, sie lägen zusammen im Bett, ihr blondes Haar ein Gewirr auf Alessandros Brust. Doch als sie erwachte, war er fort. Lichtreflexe vom Kanal huschten    über die Zimmerdecke und beleuchteten das Heiligenbild über ihrem Bett. Das Herz brannte noch immer lichterloh.
    Leonora roch Kaffee und tappte hinüber in die Küche. Die Kanne, noch fast voll, stand auf dem Herd. Sie goss sich eine Tasse ein und bemühte sich, nicht gekränkt zu sein.
    Er hat mir nichts versprochen und ist zu nichts verpflichtet. Warum sollte er hier bleiben?
    Als sie sich Milch aus dem Kühlschrank holen wollte, entdeckte sie sie. Unter dem Magneten an der Kühlschranktür klemmte eine Postkarte. Ein Bild von Tizian, ein Papst, flankiert von zwei jungen Männern. Der Mann zu seiner Rechten, der eine Kardinalsrobe trug, war Alessandro wie aus dem Gesicht geschnitten. Leonora las die Beschreibung auf der Rückseite: Tiziano Vecelli, Porträt Papst Pauls III. mit seinen beiden Enkeln, Ottavio und -konnte das denn wahr sein? - Alessandro. 1546. Daneben die eilig hingekritzelten Worte «Ciao Bella».
    Leonora ließ sich langsam am Tisch nieder. Ihr Herz klopfte wie wild. Was bedeutete das? Trug er solch eine Postkarte immer mit sich herum, um bei leichtgläubigen Ausländerinnen Eindruck zu schinden? Und was sollte das heißen - Ciao Bella? Das klang einfach schrecklich, wie in einem der alten Filme, wenn sich der Herzensbrecher lässig von seinem Mädchen verabschiedet. Auch das Bella hatte nichts zu sagen. Es war einfach Bestandteil dieser abgedroschenen Phrase. Immer wieder geisterten die Worte in ihrem Kopf herum, Sie wusste, dass Ciao von che vediamo - auf Wiedersehen - kam. Das italienische Wort für «Lebewohl» kannte sie nicht.
    Schließlich machte Leonora der Grübelei ein Ende. Sie mochte sich nicht mit der Frage quälen, was Alessandro eigentlich von ihr wollte - und ob er überhaupt    etwas wollte. Sie betrachtete die Sonnenkringel an der Decke, hörte das Geschrei der spielenden Kinder draußen und die lautstarke Unterhaltung zweier alter Männer, die sich quer über den Campo hinweg etwas zuriefen. Der Sonntag zog sich hin, endlos und eintönig. Sie musste etwas finden, womit sie Körper und Geist ablenken konnte, bevor es zu spät war.
    Es ist schon zu spät. Ich bin verliebt.
     

Kapitel 14
    Die Rivalin
    Es war Montag. Leonora lehnte sich vorsichtig auf die Brüstung ihrer Dachterrasse und schaute über die Lagune. Sie wünschte, sie wäre auf dem Boot auf dem Weg zur Arbeit, doch Adelino hatte darauf bestanden, dass sie heute zu Hause blieb und einem Reporter vom «II Gazzettino», der wichtigsten Zeitung des Veneto, ein Interview gab. Nach sorgfältiger Überlegung hatte sie ein weißes Leinenkleid angezogen und ihr üppiges Haar mit Spitzenbändern zurückgebunden. Zwar sollten heute keine Fotos gemacht werden, doch die Mailänder Werbeleute hatten ihr eingeschärft, sich immer so feminin wie möglich zu kleiden. Dadurch sollte die Tatsache, dass sie eine Frau in einem Männerberuf war, noch zusätzlich unterstrichen werden. Nun gut. Also würde sie das zerbrechliche Weibchen spielen und damit an die Beschützerinstinkte des Reporters appellieren. Wenn er denn welche hat. Am liebsten hätte sie sich in ihre gewöhnliche Kluft aus abgenutzten Jeans, Weste und der alten Militärjacke geworfen, das Haar hochgesteckt und die Ligna 52 zur Arbeit genommen. Sie war es leid,

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