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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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bestimmt noch nie sitzen gelassen worden. Sie war immer diejenige, die gegangen ist, und hat für verlassene Frauen nur Mitleid übrig. Frauen wie mich.
    «Und als Sie dann hier waren, gingen Sie zu Signor della Vigna und baten um Arbeit?»
    «Adelino. Ja. Ich hatte großes Glück.»
    Eine Augenbraue bewegte sich nach oben. «Ja, tatsächlich. Was glauben Sie, wie viel trug Ihre Begabung dazu bei, dass Sie die Stelle bekamen, und wie viel ist Ihrem berühmten Vorfahren, Corradino Manin, anzurechnen?»
    «Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass ich ohne Corradino die Chance bekommen hätte. Andererseits hätte mich Adelino aber auch nie eingestellt, wenn ich nicht wirklich mit Glas arbeiten könnte. Dann wäre er verrückt, und das ist er keineswegs.»
    Leonora musste unwillkürlich an die Fernsehinterviews denken, in denen Sprösslinge aus Schauspielerfamilien, die gerade dabei waren, bekannt zu werden, über ihre Karriere sprachen. Alle beharrten sie darauf, dass ihr Name -ob nun Redgrave oder Mills - eher hinderlich gewesen sei. Über solche Sendungen hatten Stephen und sie immer gelästert, und jetzt fand sie ihre eigenen Worte ebenso unglaubwürdig.
    Vittoria nickte und legte gleich die nächste Frage nach: «Und Ihre Kollegen? Die Maestri vetraie, die schon seit Jahren Glas machen, was denken die über Sie?»
    Leonora rutschte ein wenig unbehaglich auf dem Stuhl hin und her. Roberto kam ihr in den Sinn. «Sie haben mich gleich am ersten Tag sehr herzlich aufgenommen.»
    Das stimmte wenigstens. Jedenfalls bis zu dem Abend, als wir in die Kneipe gingen und alles aus dem Ruder lief.
    «Ich glaube allerdings, sie hatten gewisse ... Vorbehalte, als die Sache mit der Manin-Serie und die ganze Werbekampagne zum ersten Mal zur Sprache kamen. Doch wenn es ein Erfolg wird, dann haben auch sie ... wir alle ... einen Nutzen davon.»
    «Aber was halten die Kollegen von Ihnen persönlich?», hakte Vittoria nach. «Sind sie mit Ihnen befreundet?»
    «Das müssen Sie sie schon selbst fragen.»
    Ein träges Lächeln umspielte Vittorias Lippen. «Vielleicht werde ich das tun.»
    Jetzt habe ich einen Fehler gemacht.
    Die Reporterin tippte mit dem Kugelschreiber gegen ihre makellosen Zähne. Es war ein Kunstgriff, den sie immer wieder mit großem Erfolg bei männlichen Gesprächspartnern anwendete. Sie lenkte damit die Aufmerksamkeit auf ihren Mund - die ebenmäßigen    weißen Zähne hinter den leuchtend roten Lippen öffneten sich gerade so weit, dass die rosa Zungenspitze zu sehen war. Die Befragten verloren dann meist ihre Zurückhaltung und gaben nicht selten vertrauliche Informationen preis. Leonora fragte sich, was als Nächstes kommen mochte.
    «Und wie sieht es mit Ihrem Privatleben aus? Haben Sie in der Stadt der Liebe schon eine Eroberung gemacht?»
    Leonora hörte den sarkastischen Unterton heraus. Dieser Frau würde sie bestimmt nichts über ihre Gefühle verraten - dazu zeigte sie viel zu deutlich, dass sie nicht an die Liebe glaubte, jedenfalls nicht an den romantischen Teil.
    «Nein, es gibt niemanden.»
    Vittoria senkte den Blick und schickte sich an, ihre Siebensachen zusammenzupacken. Das war ebenfalls einer ihrer Lieblingstricks - ihr Gegenüber entspannte sich dann erleichtert. Sie warf Leonora einen mitleidigen Blick zu. «Das klingt, als seien Sie sehr einsam. Keine Bekannten, keinen Freund, nur einen lange verstorbenen Vorfahren ...»
    Das saß. Leonora fühlte sich sowieso schon unterlegen, da konnte sie nicht auch noch Mitleid ertragen. Sie schluckte den Köder. «Eigentlich gibt es da doch jemanden. Aber es ist alles noch ganz frisch, deshalb möchte ich lieber nicht darüber reden und erst einmal abwarten, wie es sich entwickelt.»
    Diesmal schössen beide schwarzen Augenbrauen in die Höhe. «Könnten Sie uns nicht doch etwas verraten? Nur einen winzigen Hinweis?»
    Leonora lächelte leise. «Er sieht aus, als sei er einem Gemälde entstiegen.»
    Vittoria zuckte die Achseln und stellte mit einer entschiedenen    Handbewegung das Tonbandgerät aus. «Das tun hier viele.»
    Als sie auf dem Weg zur Tür am Kühlschrank vorüberkam, sah sie die Tizian-Postkarte. Alessandro Bardolino. Der junge Kardinal. Natürlich hatte sie das Gemälde schon zuvor bei ihm zu Hause gesehen. Da die verblüffende Ähnlichkeit ein beliebtes Thema in der Familie war, hatte Alessandros Mutter ihm einen Druck des Tizian-Gemäldes gekauft. Das Bild hing in seiner Küche, und Vittoria war jeden Tag ein Dutzend Mal daran

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