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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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vorbeigegangen - damals, bevor die Zeitung sie nach Rom versetzt hatte. Sie hatte das Bild während der drei Jahre, in denen sie und Alessandro zusammenlebten, täglich gesehen.
    Vittoria verabschiedete sich so herzlich von Leonora, dass diese schon anfing zu glauben, sie habe sich die Sticheleien während des Interviews nur eingebildet. Sie wunderte sich, dass Vittoria plötzlich so erfreut wirkte. Schließlich hatte sie der Reporterin kaum etwas verraten, und das Interview war insgesamt doch ziemlich langweilig verlaufen.
    Doch Vittoria Minotto überquerte den Campo Manin beschwingten Schrittes. Für sie war das Gespräch ein voller Erfolg gewesen. Sie hatte ein paar interessante Informationen herausbekommen - nicht zuletzt die, dass die kleine Vetraia sich mit Alessandro traf. Das würde ein Spaß werden, ihn ihr wegzunehmen!
    Das Leben war wirklich aufregend.
     

Kapitel 15
    Die Anklage
    Es war schon spät, und Leonora war allein in der Fondaria. Sie hatte alle Öfen für den kommenden Tag geschürt, neu mit Kohlen bestückt und nur den einen brennenen lassen, an dem sie jetzt arbeitete.
    Alessandro hatte am Morgen angerufen. Er war in Vicenza und beendete dort seine Ausbildung zum Kriminalbeamten. Jetzt stand ihm noch die schwierige Abschlussprüfung bevor. Leonora wollte unter diesen Umständen lieber bis spätabends in der Fondaria bleiben und sich im Glasblasen üben, als zu Hause auf das Klingeln des Telefons zu warten. Außerdem fürchtete sie, dass über ihrer neuen Liebe die Begeisterung für das Glas allmählich in den Hintergrund treten könnte wie ein alter Freund, den man vernachlässigt, und das wollte sie auf keinen Fall.
    Sie lebte jetzt seit etwas mehr als fünf Wochen in ihrer Wohnung, hatte seitdem aber leider nur ein paar Tage mit Alessandro verbracht. Dennoch war sie bis über beide Ohren in ihn verliebt und musste ununterbrochen an ihn denken. Sie entschuldigte ihre seltenen Zusammenkünfte damit, dass er sich auf seine Prüfung vorbereiten musste, und tröstete sich mit der Erinnerung an die wenigen Stunden voller Zärtlichkeit und Leidenschaft, die sie miteinander verbracht hatten. In ihren Gesprächen hatte sie nach und nach mehr über ihn erfahren. Er hatte ihr von seinen Eltern erzählt, einem Polizisten und einer Krankenschwester, die nach ihrer Pensionierung in die umbrischen Hügel gezogen waren, um dem Touristenrummel    in Venedig zu entgehen. Leonora klammerte sich an diese Einzelheiten, versuchte, aus ihnen eine gefühlsmäßige Nähe zu Alessandro zu schaffen - und verdrängte die Tatsache, dass sie noch nicht ein einziges Mal bei ihm zu Hause gewesen war.
    Jetzt, da er sich nicht in der Stadt aufhielt, bekam sie wieder einen klareren Kopf und konnte sich zum Glück wieder mehr auf ihre Arbeit konzentrieren. Unermüdlich widmete sie sich an diesem Abend dem Glas, während über der Lagune der Mond aufging. Sie hatte sich eine Aufgabe gestellt, von der sie nicht wusste, wie schwierig sie war. Sie wollte es Corradino gleichtun und ein gläsernes Herz fertigen wie das, welches sie noch immer um den Hals trug. Sie löste das blaue Band, an dem es hing, und legte das Herz vorsichtig auf die Bank neben sich - nahe genug, dass sie bei der Arbeit immer wieder darauf blicken konnte, und weit genug entfernt vom gefährlichen Feuer. Im Vergleich zu den Wunderwerken, die die Maestri jeden Tag hervorbrachten, schien ihr die Aufgabe ziemlich leicht. Doch der freundliche Francesco, ihr einziger Verbündeter, hatte nur leise gelacht. Seiner Meinung nach war ein Glasherz eines der schwierigsten Stücke überhaupt. Besonders, wenn es so gleichmäßig sein sollte wie das von Corradino, das in der Mitte eine vollkommen runde Luftblase in sich eingeschlossen trug.
    Tatkräftig machte sich Leonora ans Werk. Sie holte ein Klümpchen Schmelze aus dem Ofen, drehte es kurz und übernahm es dann geschickt mit einer erhitzten Glasmacherpfeife, die kleiner war als die, die sie normalerweise benutzte. Sie holte kurz Luft und blies den Atem dann behutsam aus, bis der tropfenförmige Külbel groß genug war. Rasch drehte sie die Glasblase ab und kerbte sie mit dem Holzpaddel herzförmig ein. Aber es war    zu spät - die Luftblase im Inneren war bereits geplatzt, und die beiden Seiten des Herzes waren unterschiedlich groß. Leonora kühlte das Herz im Wasser ab und warf es in einen Eimer, um es später wieder einzuschmelzen. Sie begann von neuem. Diesmal blies sie den Külbel schneller, mit einem einzigen

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